Etappe 16: Ghorepani – Poon Hill (3.193 m) – Nayapul (1.050 m) – Pokhara, 9.45 h, 21.9 km

Da war er. Der letzte Tag auf dem wunderschönen Annapurna Circuit. Schon heute Abend würden wir wieder in einem richtigen Hotel schlafen. Aber bis dahin wartete noch ein verdammt langer Weg auf uns. Und vorher wollten wir ja auch noch den Poon Hill besteigen, um von dort aus den Sonnenaufgang zu beobachten. Aus diesem Grund klingelte unser Wecker auch schon um 4.30 Uhr. Wir schlüpften schnell in mehrere Schichten kuschlig warmer Klamotten, zogen unsere Stirnlampen über die Mützen und marschierten um 4.45 Uhr los. Etwa eine Stunde sollte der Aufstieg zum Poon Hill dauern, in der über 350 Hm zurückgelegt werden mussten. Der Sonnenaufgang würde so gegen 6 Uhr beginnen und wir hofften, vorher noch einige Fotos mit den Sternen machen zu können. Im Dunkeln bahnten wir uns unseren Weg durch Ghorepani bis hin zu einem ausgetretenen Pfad, der geradewegs den Berg hinaufführte. Nach einer ganzen Weile fanden wir uns vor einem kleinen Hüttchen wieder, in dem allen Ernstes Eintritt für den weiteren Weg verlangt wurde. Ich denke, das sagt Einiges darüber aus, wie touristisch dieser Ausflug tatsächlich ist. Die Temperaturen waren auch hier wieder weit unter Null, vermutlich so um die -15 °C. Trotzdem war der Aufstieg unglaublich schweißtreibend, zumal wir ein ordentliches Tempo an den Tag legten. Auf dem Weg überholten wir immer wieder andere Wanderer und nach ca. 45 Minuten erreichten wir dann die Spitze des Poon Hill. Und siehe da: Wir waren sogar die Allerersten, die oben angekommen waren. Mal abgesehen von den beiden Einheimischen, die hier oben einen kleinen Teestand betrieben. Wir nutzten die Gelegenheit, um uns den schönsten Platz herauszusuchen und bauten dort unsere Kamera auf. Es war noch dunkel genug, um schnell einige Bilder von den Sternen zu machen. An einem der Berge konnten wir sogar einen großen Waldbrand beobachten. Dann füllte sich der Aussichtspunkt mit mehreren hundert Leuten und langsam wurde es richtig ungemütlich. Die Dämmerung begann, der Himmel wurde heller und der Horizont färbte sich in ein leuchtendes Rot. Die Spitzen der vielen Bergriesen fingen zu Leuchten an und wir kamen aus dem Staunen überhaupt nicht mehr raus.

Nilgiri (7.010 m) und Annapurna I (8.091 m)
Machhapuchhre (6.993 m)
Nilgiri (7.010 m), Annapurna I (8.091 m), Annapurna Süd (7.219 m), Hiunchuli (6.441 m) und Machhapuchhre (6.993 m)
Dhaulagiri (8.172 m)

Es hatte sich absolut ausgezahlt, dass wir den Berg so hinauf gehetzt waren und einen Platz in der ersten Reihe ergattert hatten. Denn um uns herum herrschte ein dichtes Gedränge und Geschubse von den Leuten, die zu spät gekommen waren und trotzdem noch was sehen wollten. Leider hatte das Gehetze aber auch einen wesentlichen Nachteil. Meine Kleidung war so durchgeschwitzt, dass ich am ganzen Körper höllisch fror. Je länger wir dort standen, desto schlimmer wurde es. Nach etwa 45 Minuten konnte ich Finger und Fußzehen nicht mehr spüren und mir wurde richtig schlecht, was wohl auch an meiner Erkältung lag und daran, dass wir noch nichts gefrühstückt hatten. Ich wollte Fab zurücklassen und schonmal mit dem Abstieg beginnen, aber nach nur wenigen Metern wurde mir verdammt schwindlig und ich kehrte wieder um. Alleine traute ich mir den Abstieg in diesem Zustand nicht zu. Ich bekam Panik. Fab packte schnell die Kamera weg, griff meine Hand und führte mich langsam den Berg hinunter. Nach einigen Minuten tauten Finger und Zehen auf und ich wurde wieder etwas ruhiger. Mit jedem Schritt ging es mir besser und als wir dann zurück in Ghorepani waren, fühlte ich mich wieder einigermaßen fit. Wir frühstückten noch in Ruhe in unserer Lodge, dann packten wir unsere Sachen zusammen und begannen unsere allerletzte Etappe.

Wir folgten dem Weg durch einen großen Rhododendronwald und über mehrere kleine Bäche. Wegen der ganzen Poon-Hill-Besucher waren auf dieser Strecke ungewöhnlich viele Leute unterwegs, aber trotzdem waren wir erstaunt, wie gut sich die Massen verteilt hatten. Schockiert waren wir allerdings darüber, wie viele Träger hier plötzlich unterwegs waren. Als ob keiner der Wanderer in der Lage wäre, sein Gepäck für die drei Tage selbst zu tragen.

Nepalesische Träger
Waldpfad

Nach etwa zwei Stunden ließen wir den dichten Wald hinter uns und der Blick wurde frei auf das vor uns liegende Tal. Im Hintergrund war der Machhapuchhre zu sehen, der von Westen wie eine gigantische Fischflosse aussieht (deswegen wird er auch Fishtail genannnt). Wir bahnten uns den Weg am Hang entlang zum nächsten Dorf, Ulleri. Hier gab es wieder zahlreiche Lodges und Teehäuser, die allesamt ziemlich gut besucht waren. Viele der Poon-Hill-Trekker übernachten auf ihrem Hinweg in Ulleri oder bauen hier zumindest eine längere Pause ein. Warum zeigte sich dann am Ortsende. Hier wartete nämlich der mit Abstand schlimmste Part dieser Etappe auf uns: Steinstufen. Und zwar laut unserem Wanderführer ganze 3.280 Stück. 3.280! Die nächste Stunde würden wir über diese Stufen 500 Hm hinabsteigen.

Ich denke, es ist überflüssig zu erwähnen, dass uns die Beine einfach nur höllisch wehtaten. Die Füße brannten, die Knie schmerzten und die Schenkel zitterten vor Anstrengung. Wir legten regelmäßige Pausen ein, aber letztendlich wollten wir es einfach nur hinter uns bringen und wirklich geholfen haben die Pausen ohnehin nicht. Wenn wir kurz anhielten, spürten wir unsere Beine beim Stehen nur umso mehr; wenn wir uns hinsetzten, war das Aufstehen dafür umso schlimmer. Hier hatten wir richtig Mitleid mit den Poon-Hill-Trekkern, die das Ganze erst hinauf und dann nochmal hinunter steigen mussten. Aber irgendwann war auch das überstanden und als wir unten ankamen, fanden wir uns vor einem kleinen Saftstand wieder, an dem ein junges holländisches Pärchen frische Fruchtsäfte verkaufte. Wir setzten uns auf eine Steinmauer, um uns einen ihrer Säfte zu gönnen – aber leider hatten sie genau in diesem Moment keinen Strom für ihren Mixer. Neben dem kleinen Stand führte eine Brücke über einen Fluss, der uns von hier an bis fast zum Ende unserer Etappe begleiten würde. Das Schlimmste hatten wir an diesem Punkt bereits geschafft, aber wir hatten noch immer drei Stunden Strecke vor uns und nach dem zeitigen Aufstehen und den ganzen Stufen waren wir ganz schön ausgelaugt. Wir konnten es kaum erwarten, diesen letzten Rest hinter uns zu bringen und uns in Nayapul endlich in einen Bus zu setzen. Obwohl wir mal wieder durch einige hübsche Dörfer kamen, waren wir fest entschlossen, den Rest noch heute durchzuziehen und nicht noch eine weitere Nacht auf dem Trek zu verbringen. Wir hatten noch nicht einmal die Muse, in einem der Dörfer eine Mittagspause einzulegen. Wir gönnten uns hier und da mal eine kühle Limo, aber längere Pausen wollten wir nicht machen. Unser Weg verlief direkt am Fluss entlang, mal durch Wälder, mal durch Ackerland. Beim Laufen begegneten wir immer wieder einer Gruppe von drei kräftigen Männern, die wir vor Tatopani schon einmal gesehen hatten. Sie sahen genauso fertig aus, wie wir uns fühlten. Die letzten Meter waren einfach nur ein Kampf – wie so vieles bisher auf diesem Trek.

Kurz vor Nayapul kamen wir noch einmal durch ein Dorf, in dem wir eine letzte Pause einlegten. An dem Schild mit der Aufschrift „Schoko-Bananen-Shake“ konnten wir einfach nicht vorbeigehen. Danach mussten wir an zwei Check Posts noch einmal unsere Permits vorzeigen, bevor wir den Ausgang der Annapurna Conservation Area erreichten. Ein gemischtes Gefühl von Erleichterung und Traurigkeit überkam uns. Das war’s. Wir hatten es geschafft. Fast drei Wochen waren wir auf dem Annapurna Circuit unterwegs gewesen. Es war das mit Abstand schönste Abenteuer, das wir bisher erlebt hatten. Es war hart und anstrengend, aber absolut lohnenswert.

Von hier aus waren es nur noch wenige Minuten bis zur Bushaltestelle in Nayapul, die eigentlich gar keine ist. Im Prinzip gibt es weder einen festen Haltepunkt, noch einen Fahrplan. Man wartet einfach, bis ein Bus kommt und hält diesen dann an. Es saßen bereits einige müde dreinschauende Trekker dort und warteten. Obwohl wir seit fast 10 Stunden unterwegs waren, war es gerade mal 14.30 Uhr. Die Busfahrt in die nächste Großstadt Pokhara sollte so um die zwei Stunden dauern. Doch während wir dort so saßen, nutzten einige Jeep-Fahrer die Gelegenheit, um uns vollzuquatschen und uns ihre Jeeps anzubieten. Wie immer in Südostasien waren die Angebote zunächst lächerlich teuer, aber wir alle wollten so schnell wie möglich nach Pokhara und niemand wusste, wann der nächste Bus kommen würde oder ob darin überhaupt noch Sitzplätze frei sein würden. Zusammen mit ein paar jungen Trekkern verhandelten wir also mit den Fahrern und letztendlich teilten wir uns zu siebt einen Jeep für 500 NPR (= ca. 4 Euro) pro Person. Die Fahrt war äußerst wackelig und für meinen Magen keine große Wohltat, aber nach noch nicht mal einer Stunde erreichten wir Pokhara. Wir gingen in ein nettes Hotel, nahmen eine laaange Dusche und gaben erstmal unsere ganzen Sachen in den Wäscheservice (nicht alle natürlich, wir mussten ja noch was tragen). Dann wollten wir uns auf den Weg in ein nettes Restaurant machen und es uns richtig gut gehen lassen. Und ratet mal, wen wir dort getroffen haben! Linda und Thomas, unsere zwei dänischen Weggefährten. Die beiden hatten am Tag zuvor den Trek beendet. Nachdem Thomas wieder gesund war, hatten sie die Passüberquerung in Angriff genommen und sind noch am selben Tag von Muktinath aus mit dem Jeep nach Pokhara gefahren, wo sie dann um 2 Uhr nachts angekommen waren.

Etappe 15: Sikha – Ghorepani (2.840 m), 3.30 h, 7.6 km

Der vorletzte Tag unseres großen Annapurna-Abenteuers. Unser heutiges Ziel: Ghorepani. Eine Stadt, die auf über 2.800 m Höhe liegt. Für uns bedeutete das, dass wir heute noch über 900 Hm meistern mussten. Die Etappe selbst war relativ kurz, aber der Anstieg dafür umso steiler. Wir starteten circa 8.30 Uhr in Sikha, nach einem wirklich sehr leckeren Frühstück. Schon von Anfang an bestand die Strecke fast ausschließlich aus Steinstufen, die ununterbrochen den Berg hinauf führten. Mal wieder liefen wir durch Wälder und urige Dörfer. In unserem Rücken ragte noch immer gut sichtbar der Dhaulagiri in den strahlend blauen Himmel.

Dhaulagiri (8.172 m)

Immer und immer weiter ging es über die Steinstufen bergauf. Mal große Stufen, mal kleine Stufen, mal schmale Stufen, mal breite Stufen – die völlig ungleichmäßigen Steinplatten waren furchtbar anstrengend zu laufen und forderten mal wieder volle Aufmerksamkeit. Das Laufen war schon nach kürzester Zeit unglaublich langweilig und ermüdend. Und so zog sich das ganze Treppengesteige gefühlt eine Ewigkeit in die Länge.

Hin und wieder kam uns ein Grüppchen älterer Wanderer entgegen, die vermutlich einfach nur eine 2-3 Tageswanderung bis nach Tatopani machten und von dort aus dann mit dem Jeep wieder zurückfuhren. In Tatopani gibt es heiße Quellen, die aus irgendeinem Grund Touristen anziehen. Wir sind dort allerdings nicht hineingegangen, da es uns einerseits zu voll war und wir andererseits keine Badesachen über den Pass schleppen wollten.

Als wir dann so langsam die Befürchtung bekamen, dass wir das Ende der Steinstufen wohl niemals erreichen würden, erreichten wir gegen 12 Uhr die ersten Häuser von Ghorepani. Trotzdem mussten wir noch unzählige weitere Stufen hinaufsteigen, ehe wir dann endlich im Ortskern ankamen. Ghorepani war völlig anders als alles, was wir in den letzten Tagen und Wochen gesehen hatten. Und das ist keineswegs positiv gemeint. Ghorepani ist eine absolute Touristenhochburg. Das ganze Städtchen besteht aus blauen Blechhäusern und Souvenirständen. Überall wimmelt es von Wandergruppen; vom typischen nepalesischen Dorfleben ist hier überhaupt nichts mehr zu spüren. Grund dafür ist der berühmte Poon Hill, einer der schönsten Aussichtspunkte der Welt. Der Aussichtspunkt ist von Ghorepani aus in etwa einer Stunde zu erreichen und eröffnet vor allem bei Sonnenaufgang einen atemberaubenden Ausblick auf den Dhaulagiri, die Annapurna Süd (7.219 m) und den Machhapuchhre (oder auch Fishtail genannt; 6.993 m). Und da die Wanderung zum Poon Hill und wieder zurück zur nächsten Jeep-/Busstation ganz gut innerhalb von drei Tagen zu meistern ist, ist dieser Teil des Circuits hoffnungslos überrannt. Dementsprechend angepasst sind natürlich auch der Komfort in den Lodges, die Preise und die Laune der Einheimischen. Trotzdem wollten auch wir es uns nicht nehmen lassen, unsere letzte Nacht auf dem Trek in Ghorepani zu verbringen und dann am frühen Morgen ebenfalls den Poon Hill zu besteigen.

Etappe 14: Tatopani – Sikha (1.935 m), 3.30 h, 7.9 km

Heute hatten wir eine der schönsten Etappen vor uns. Nachdem wir ja inzwischen schon wieder auf 1.200 m hinabgestiegen waren, sollte es von nun an wieder ordentlich bergauf gehen – nämlich auf fast 2.900 m. Das Ganze kann man durchaus innerhalb eines Tages schaffen, aber wir wollten es dann doch lieber etwas ruhiger angehen und teilten den Marsch auf zwei Tage auf. Eine weise Entscheidung, wie sich herausstellte. Nicht nur weil der Aufstieg extrem hart war und mir meine Erkältung stark zu schaffen machte, sondern auch weil die Landschaft viel zu schön war, um einfach hindurch zu hetzen.

Von Tatopani aus begleiteten uns zum letzten Mal für ein paar Minuten der Kali Gandaki und die Jeep-Piste. Dann verließen wir das Kali-Gandaki-Tal und mit ihr auch die Piste. Während der Fluss nach Südwesten verläuft, führte unser Weg nach Südosten. Wir überquerten den Kali Gandaki noch ein letztes Mal, um auf die Ostseite zu gelangen und direkt danach noch einen weiteren Fluss, der in den Kali Gandaki mündet. Und dann begann auch schon der Aufstieg. Zwar gab es auch hier eine Schotterpiste, aber die war bei Weitem nicht so schlimm, da hier scheinbar so gut wie keine Autos fuhren. Wir folgten der Straße für einige Minuten, konnten aber immer wieder auf kleine Pfade ausweichen. Wir kamen durch kleine Dörfer und vorbei an zahlreichen Feldern, Mandarinenbäumen und Bananenstauden. Überall war es tropisch grün und einladend. Wir verließen die Straße, um einem Trampelpfad zu folgen, der über hunderte von Steinstufen den Berg hinauf führte. Im Schneckentempo nahm ich eine Stufe nach der Anderen. Meine Füße taten immer noch leicht weh und meine Erkältung war bei der ganzen Geschichte auch nicht gerade eine Hilfe. Wir pausierten gefühlt im 10-Minuten-Takt, nutzten die Steinmauern, die für die Einheimischen extra auf Körperhöhe gebaut wurden, damit sie beim Anlehnen ihr Gepäck absetzen können, ohne es dabei abnehmen zu müssen. Dann erreichten wir schweißtriefend eine Art Plateau auf ca. 1.600 m. Eine komplette nepalesische Familie – vom Kleinkind bis zum Opa – war dort gerade mit Renovierungsarbeiten an einem Teehaus beschäftigt. Der Ausblick von diesem Plateau war mal wieder atemberaubend schön. Richtung Norden waren noch immer schneebedeckte Bergriesen zu sehen. Richtung Süden sah man steile Berghänge voller Ackerland und Anbauterrassen. Zwischendrin standen immer wieder vereinzelte Häuser und in der Ferne war schon das nächste Dorf zu erkennen.

Blick nach Norden
Anbauterrassen

Von hier an ging es für ein paar Minuten geradeaus weiter, stets am Hang entlang. Dann wurde es langsam wieder steiler und wir gewannen weiter an Höhe. Wir liefen an den vielen Feldern und Häuschen vorbei und konnten die Dorfbewohner bei ihrer täglichen Arbeit beobachten. Ältere Männer arbeiteten auf den Feldern, trieben Ochsen über ihren Acker. Frauen saßen an den Wasserstellen, wuschen Kleidung, Geschirr und Gemüse. Hühner spazierten durch die Gegend und Getreide trockneten in der Sonne. Und so verging die Zeit schon fast wie im Flug. Nach nur ca. 3 ½ Stunden erreichten wir unser heutiges Ziel: Sikha. Sikha gefiel uns sofort. Ein ordentlich gepflasterter Weg führte einmal quer durch das Dorf und überall am Wegrand standen eng aneinander gereiht viele hübsche Steinhäuser.

Sikha

Direkt am Ortseingang standen zwei Lodges, die uns gleich ansprachen. Wir gingen in eine davon und ließen uns eines der Zimmer zeigen. Bequeme saubere Betten, Bad und heiße Dusche – perfekt. Auch die Preise waren wieder deutlich niedriger, denn Trekker gibt es hier kaum. Wenn wir das richtig mitbekommen haben, dann haben außer uns nur drei andere Wanderer im ganzen Dorf übernachtet. Eine junge Schweizerin mit in unserer Lodge und zwei ältere Herren in der Lodge gegenüber. Die Besitzerin unserer Lodge war ersichtlich glücklich über den Besuch und sie bemühte sich total, um uns vollends zufrieden zu machen. Es war richtig niedlich, wie sie da die ganze Zeit strahlend herum wuselte.

Der Tag war noch jung. Es war gerade mal 12.30 Uhr, als wir in Sikha angekommen waren und so hatten wir nach dem Mittagessen noch ausgiebig Zeit, um die Ruhe in dieser wunderschönen Umgebung zu genießen. Naja, Fab jedenfalls, denn ich habe fast den ganzen Nachmittag geschlafen. Er dagegen saß gemütlich auf der Dachterrasse vor unserem Zimmer und genoss die Sonne.

Der Annapurna Circuit wird ja oftmals auch als „Teahouse Trek“ bezeichnet, weil es ja quasi überall Teehäuser und Lodges gibt. Ich persönlich nenne den Circuit den „Snickers Trek“. Denn es gibt überall, und zwar wirklich überall auf dem Trek Snickers zu kaufen. Manchmal auch Mars und Bounty, aber definitiv Snickers. Und nicht nur das. Auf den Speisekarten steht unter Desserts fast überall Snickers. Ich hatte mich bisher immer gewundert, warum die Einheimischen Snickers auf ihre Menüs schreiben und vor allem, warum so ein blöder Riegel fast 3 Euro kostet und damit teurer ist als die meisten Hauptspeisen. In Sikha habe ich das Rätsel endlich gelöst. Es handelt sich nicht einfach nur um Snickers, sondern um frittierte (!) Snickers im Teigmantel. Eigentlich esse ich solche Sachen ja nicht, aber da musste ich dann doch mal cheaten. Und das war es definitiv wert!

Etappe 13: Kalopani – Tatopani (1.230 m), 8 h, 23.5 km

Unsere nächste Etappe war mal wieder recht lang, weswegen wir am Morgen zeitig aufbrechen wollten. Wir hatten für 7 Uhr unser Frühstück vorbestellt, eher durften wir leider nicht. Doch als wir früh in die Dining Hall kamen, war außer uns niemand da. Die Lichter waren noch aus, die Küche menschenleer. Gegen 7.15 Uhr kam der Besitzer der Lodge verschlafen herein getrottet und machte uns erstmal einen Tee. Von den Mädels aus der Küche fehlte jede Spur. Auf unsere Frage hin, ob denn bald jemand kommen würde, ernteten wir nur ein spöttisches Grinsen. Die Deutschen und ihre Pünktlichkeit… Wir überlegten gerade, auf unser Frühstück zu verzichten und einfach erstmal loszulaufen, da kam endlich eines der Küchenmädels. Zunächst machte sie wenige Anstalten, sich um das Frühstück zu kümmern und machte erstmal anderen Kram, aber dann ging es mit dem Essen doch noch relativ schnell voran. Es war inzwischen 8 Uhr, als wir dann langsam loskamen, was uns eigentlich schon zu spät war. Wir verließen den Ort auf der Jeep-Piste, konnten aber schon bald einige Abkürzungen durch den Wald nehmen. Wirklich empfehlenswert waren diese Abkürzungen aber auch nur bedingt, da sie sich im Gegensatz zur Piste nicht den Berg hinunter schlängelten, sondern geradewegs steil den Abhang hinunter gingen. Das war mitunter noch nicht mal ganz ungefährlich, weil uns an manchen Stellen sogar der Boden unter den Füßen wegrutschte und wir nur schwer Halt finden konnten.

In einem Dorf namens Ghasa gönnten wir uns ein kleines Päuschen mit Tee und Kuchen, bevor wir ein weiteres Mal an einem Check Post unsere Permits vorzeigen mussten. Danach suchten wir mal wieder verzweifelt eine Brücke, die uns auf die Ostseite des Kali Gandaki führen sollte. Die Brücke sollte kurz nach dem Ortsausgang kommen, aber irgendwie war da nichts. Letztendlich stellte sich heraus, dass wir den Ortsausgang noch gar nicht erreicht hatten, denn das Dorf ist quasi zweigeteilt und liegt etwas verstreut. Nach dem richtigen Ortsausgang kam dann auch die Brücke. Auf der anderen Flussseite verlief der Weg dann wieder ganz ruhig und gemütlich durch den Wald und vorbei an einem kleinen Wasserfall. Hin und wieder waren hier sogar Trekker zu sehen. In einem kleinen Dorf auf dem Weg freundete ich mich mit einer Hündin an. Die Arme wurde gerade von einem Rüden drangsaliert, der ganz offensichtlich stark um ihre Aufmerksamkeit kämpfte. Als wir näher kamen, nahm der Rüde kurz Abstand und ich machte den Fehler, bei dieser Gelegenheit die Hündin zu streicheln. Von diesem Moment an wich sie mir nicht mehr von der Seite und suchte Schutz bei mir, wenn der Rüde wieder näher kam. Dann kam noch ein zweiter Rüde dazu, der ebenfalls um die Hündin herum wuselte und plötzlich verfolgten uns drei ziemlich große Hunde. Wir hatten keine Ahnung, wie wir die Drei wieder loswerden sollten und wussten uns nicht anders zu helfen, als uns einfach an den Wegrand zu setzen und abzuwarten. Schon nach kurzer Zeit holten uns einige junge Trekker ein, die wir schon zuvor auf dem Weg gesehen hatten. Sie begrüßten die Hündin und erzählten uns, dass die Dame sie schon fast seit Kalopani verfolgte (was bereits gute 3 Stunden entfernt lag). Die Hündin erkannte ihre Weggefährten natürlich direkt wieder und lief dann mit ihnen weiter. Ich fühlte mich bei der Sache überhaupt nicht wohl, denn nach Kalopani würde die Hündin mit Sicherheit nicht von alleine wieder zurückkehren. Immerhin machten die beiden Rüden an dieser Stelle wieder kehrt und liefen zu ihrem Herrchen zurück.

Wir folgten den jungen Trekkern einen steilen, ziemlich unangenehmen Abhang hinunter. Große Steinplatten waren dort wie improvisierte Stufen angelegt und sollten den Abstieg wohl erleichtern. Trotzdem erforderte dieser Abschnitt höchste Aufmerksamkeit und Vorsicht. Etwa eine dreiviertel Stunde balancierten wir auf diesen Steinen den Berg hinunter und legten dabei fast 300 Hm zurück. Nur um uns dann unten vor einem steilen Aufstieg wiederzufinden. Bei inzwischen wieder recht hohen Temperaturen und praller Sonne kletterten wir also direkt wieder 100 Hm innerhalb von 15 Minuten den Berg hinauf. Oben erwartete uns ein wunderbarer Ausblick über das vor uns liegende Kali-Gandaki-Tal. Das Klima war hier schon fast wieder subtropisch, alles war grün und überall waren Bananenstauden und Reisterrassen zu sehen. Auf der anderen Talseite schlängelte sich die Jeep-Piste am Fluss entlang und man hörte den Lärm von den Straßenarbeiten. Bagger versperrten den Autofahrern den Weg, sodass sich in beide Richtungen unzählige Jeeps, Busse und Mopeds stauten. Permanentes Gehupe von ungeduldigen Fahrern machte den Baustellenlärm noch gar perfekt. Ein Glück, dass wir auf dieser Seite des Tals unterwegs waren.

Kali-Gandaki-Tal

Von unserem Aussichtspunkt aus ging es wieder steil bergab. Wir liefen weiter durch Wälder und kleine, freundliche Dörfer und kamen unserem Ziel immer näher. In jedem der Dörfer machten wir ein kurzes Päuschen, da unsere Füße langsam wieder zu schmerzen begannen. Im ersten Dorf filterten wir uns frisches Wasser und genossen einfach nur die Ruhe. Im zweiten Dorf entdeckten wir ein kleines Teehaus mit leckeren frisch gepressten Säften, die uns bei dem Wetter mehr als gelegen kamen. Und dann waren wir auch schon fast da. Wir mussten ein weiteres Mal den Fluss überqueren, um wieder auf die Jeep-Piste zu gelangen. Dieser folgten wir dann noch einige Minuten, bis wir die ersten Häuser von Tatopani erreichten. Seltsamerweise haben wir zunächst gar keinen Weg in das kleine Städtchen hinein gefunden. Überall standen Häuser, aber nirgendwo ging es durch. Irgendwann waren wir so genervt, dass wir einfach bei einem Teehaus fragten, ob wir durch den Garten laufen dürfen, weil auf der anderen Seite der Dorfweg war. Tatopani ist ein weiteres sehr geschäftiges Dorf, aber nicht wirklich hübsch. Keine der Lodges war sonderlich einladend und wohl fühlten wir uns nicht. Wir fanden dann eine Lodge relativ am Ortseingang, die ganz nett aussah und ließen uns ein Zimmer zeigen. Wie immer setzte ich mich auf eines der Betten, um die Matratzen zu testen. Es war bequem, also nahmen wir das Zimmer. Dummerweise stellte sich später heraus, dass nur das eine Bett bequem war und das Andere hart wie ein Brett. Ich hatte mich bereit erklärt, das unbequeme Bett zu nehmen und habe in der Nacht mal wieder kein Auge zu gemacht. Zumal unser Zimmer direkt unter dem Dach war und die ganze Nacht ein äußerst merkwürdiges Geräusch zu hören war. Die ganze Nacht habe ich den Kopf eingezogen und mich in meinem Schlafsack versteckt, weil ich mir sicher war, dass wir eine Ratte im Zimmer hatten. Im Nachhinein reden wir uns lieber ein, dass ein Ast auf dem Dach langgekratzt hat…

Etappe 12: Jomsom – Kalopani (2.540 m), 8 h, ca. 33.8 km

Aus irgendeinem Grund stand für uns am nächsten Morgen völlig außer Frage, dass wir den Trek nun doch zu Fuß beenden würden. Das hatten wir uns vorgenommen und das wollten wir auch durchziehen. Den Asphalt hatten wir ja scheinbar endgültig hinter uns gelassen und ab Jomsom gab es ohnehin Alternativrouten auf der anderen Seite des Flusses, abseits von Straßen und Jeeps. Natürlich war da noch der Wind, aber so langsam kamen wir wieder in Regionen, wo Bäume wachsen, sodass wir einigermaßen geschützt laufen konnten. Ansonsten mussten wir einfach zusehen, dass wir bis zum Aufkommen des Windes um 11 Uhr einen Großteil unserer Strecke schaffen. Und da wir gestern ja dann doch recht lange unterwegs waren, wollten wir dafür heute unsere Strecke kürzen und mittags schon am Ziel sein. In einem Ort namens Tukuche sollte es laut unserem Wanderführer eine hübsche holländische Lodge mit einer tollen Bäckerei geben. Und da wollten wir hin.

Wir verließen Jomsom zunächst wieder auf der Jeep-Piste und folgten dem Fluss durch steiniges Gelände. Hin und wieder kamen wir an kleinen Häuschen vorbei, die am Wegrand standen, oder an Baustellen. Man spürte deutlich, dass auf der Westseite des Passes ein viel geschäftigeres Treiben herrschte. Das liegt womöglich auch an der historischen Vergangenheit dieser Gegend. Das gesamte Kali-Gandaki-Tal war einst eine sehr bedeutende und wohlhabende Gegend, weil es eine der Hauptrouten für den Salzhandel zwischen Tibet und Indien war. Mit der Zeit verlor der Salzhandel jedoch an Bedeutung, vor allem weil Indien seinen Bedarf auf anderem Wege deckte. Und als China dann letztlich Tibet besetzte, war mit dem Salzhandel endgültig Schluss. Für das Kali-Gandaki-Tal stellte das natürlich einen völligen wirtschaftlichen Einbruch dar, aber all die Häuser und die geschäftstüchtigen Einheimischen sind geblieben. Später gewann dann der Tourismus für das Tal sehr stark an Bedeutung, aber mit dem Ausbau der Straße ist auch damit wieder Schluss. Außer uns waren nach Jomsom kaum noch Trekker unterwegs. Die Einheimischen starrten uns teilweise richtig an, denn offenbar waren sie Ausländer hier schon gar nicht mehr wirklich gewohnt. Hin und wieder fuhr auch ein Jeep mit Trekkern an uns vorbei und selbst die Trekker schauten uns alle ganz verwundert an.

Die ersten Bäume kehren zurück (Jomsom)

Schon bald häuften sich auch die Bäume langsam wieder und Stück für Stück wurde es immer grüner um uns herum. Nach gut einer Stunde erreichten wir den Ort Marpha, der bekannt für seine Obstplantagen ist. Vor allem Apfel- und Aprikosenbäume gibt es hier in unzähligen Mengen. Auf einem gepflasterten Weg durchquerten wir zahlreiche Obstgärten, die neben dem eigentlichen Ortskern liegen. Eine besondere Attraktion in Marpha ist wohl auch eine Obstbrandy-Destillerie, die man besichtigen kann. Den Brandy haben wir in der Region mehrfach gesehen und wir hätten auch gerne eine Flasche mit nach Hause genommen. Allerdings wollten wir von Nepal aus noch auf die Malediven und dort darf man natürlich keinen Alkohol importieren.

Noch während wir durch die Obstgärten marschierten, kam ganz plötzlich wieder der stürmische Wind auf. Es war gerade mal 10 Uhr, sodass wir damit noch gar nicht gerechnet hatten. Sofort blies es uns wieder Staub ins Gesicht und wir mussten unsere Augen mit vorgehaltenen Armen schützen. Wir holten unsere Jacken, Mützen und Sonnenbrillen aus den Rucksäcken und mummelten uns wieder ein. Auch heute war es eigentlich viel zu warm für dieses Outfit, aber ungeschützt durch den Wind laufen war deutlich unangenehmer als die Hitze.

Nachdem wir auch Marpha hinter uns gelassen hatten, zweigte links ein kleiner Pfad von der Jeep-Piste ab. Auf einem Schild am Rande des Pfades stand „Tukuche“, wo wir ja hinwollten. Wir folgten dem Pfad, der uns über eine Hängebrücke hinweg auf die andere Seite des Flusses brachte. Über einen grob gepflasterten Weg liefen wir durch ein kleines Dörfchen, dann weiter durch einen Nadelwald, vorbei an einem tibetischen Flüchtlingscamp und anschließend durch noch mehr Obstgärten.

Auf dem Weg von Marpha nach Tukuche
Auf dem Weg von Marpha nach Tukuche

Diese Seite des Flusses war wie ausgestorben. Kaum ein Mensch war zu sehen, kein Auto, keine staubige Piste. Der Weg führte uns wieder in einen Wald und abgesehen vom Rauschen des Windes in den Bäumen war einfach nur idyllische Ruhe. Wobei… Teilweise war die durch den Wind bedingte Schräglage der Bäume schon beängstigend und das Rauschen wurde manchmal schon fast zu einem Dröhnen. Trotzdem waren wir in dem Wald recht gut vor dem Wind geschützt. Etwas gruselig wurde es dann, als wir bei dem Wind einen Bach auf einer Hängebrücke überqueren mussten. Wir warteten kurz, bis eine Windböe vorbeigezogen war und gingen dann zügig über die Brücke. Glücklicherweise war der Wind dank des umliegenden Waldes auch hier nicht ganz so extrem. Richtig schlimm wurde es dann aber einige Minuten später. Da kamen wir nämlich an eine ziemlich lange Hängebrücke, die uns über das breite Flussbett zurück zur Jeep-Piste bringen sollte. Und zwar völlig ungeschützt inmitten der Windböen, die geradewegs durch das Tal fegten. Ich klammerte mich an Fabs Rucksack und nahm allen Mut zusammen. Die Brücke schaukelte wie irre im Wind. Immer wieder ließen uns kurze, kräftige Windstöße das Herz in die Hose rutschen. Die Brücke dürfte so um die 100 m lang gewesen sein, aber irgendwie schien sie kein Ende nehmen zu wollen. Als wir dann endlich drüben ankamen, brauchte ich erstmal eine Pause. Meine Beine zitterten noch Minuten danach. Wir brauchten noch etwa eine halbe Stunde, dann erreichten wir Tukuche. Die holländische Lodge war leicht zu finden, aber ihre Bäckerei schon vollkommen leergekauft und sämtliche Zimmer ausgebucht. Wir beschlossen daher, noch heute 15 km weiter bis nach Kalopani zu laufen. Trotzdem gönnten wir uns eine Mittagspause in der holländischen Lodge. Wir wuschen unsere Gesichter, die nach der letzten halben Stunde völlig schwarz waren vom ganzen Staub. Und dann lehnten wir uns erstmal zurück.

Unser Plan war, dass wir nach Tukuche wieder die Flussseite wechseln, um dann auf der anderen Seite weiter gemütlich durch den Wald zu laufen. Eine Hängebrücke gab es auf der Strecke glücklicherweise nicht. Stattdessen hatten die Einheimischen kleine, improvisierte Holzstege über die im Flussbett verteilten Flussläufe gelegt. Eigentlich. Denn finden konnten wir sie nicht. Wir suchten und suchten, aber nirgendwo konnten wir die Stege finden. Vermutlich wurden sie wegen des bevorstehenden Winters abgebaut. Oder wir haben sie schlicht übersehen. Auf jeden Fall hatte sich unser Plan damit erledigt. Wir mussten also wieder auf der Jeep-Piste laufen. Erstaunlicherweise ließ der Wind langsam nach, bis er irgendwann sogar fast vollkommen abgeklungen war. Für uns natürlich eine riesige Wohltat, da das Laufen wirklich deutlich leichter wurde.

Auf unserem Weg Richtung Südwesten wurden wir ständig vom Anblick des Dhaulagiri (8.172 m), des Tukuche Peak (6.920 m) und des Nilgiri (7.010 m) begleitet. Tatsächlich handelt es sich beim Kali-Gandaki-Tal sogar um das tiefste Tal der Welt. Während nämlich im Westen der Dhaulagiri mit seinen über 8.000 m Höhe in den Himmel ragt, befindet sich 30 km weiter im Osten die Annapurna I mit ebenfalls über 8.000 m Höhe. Und mittendrin fließt der Kali Gandaki auf ca. 2.500 m Höhe.

Die weitere Strecke führte uns durch Dörfer, die furchtbar verlassen aussahen. In den Gassen waren viele hübsche Lodges zu sehen, die mittlerweile geschlossen waren, und an Gabelungen standen große Karten mit tollen Ausflugstipps. Diese Orte müssen vor wenigen Jahren noch voller Trekker gewesen sein, doch heute litten sie sichtbar unter den Folgen des Straßenbaus. Nicht ein einziger Ausländer war in den Gassen zu sehen. Nicht eine einzige Lodge schien noch Besucher zu haben. Alles war einfach nur trist und ausgestorben. Es tat uns richtig leid, das so zu sehen. Und irgendwie hätten wir hier gerne auch etwas Zeit verbracht. Einige der Ausflüge klangen wirklich interessant. Zum Beispiel zeigte ein Schild den Weg zum riesigen Gletscher des Dhaulagiri. Bisher wussten wir noch nicht einmal, dass man diese Ausflüge überhaupt machen kann. Aber uns kam auch nicht wirklich in den Sinn, hier spontan einen Stopp einzulegen, weil wir uns einfach zu sehr auf das Ende des Treks freuten. Merkwürdigerweise kamen wir auch durch ein Dorf, das gerade vollkommen neu gebaut wurde. Links und rechts von der Straße wurde ein Haus neben das Andere gebaut. Überall wurde gearbeitet und gewerkelt. Männer wie Frauen waren auf den Beinen, hämmerten, hantierten herum und schleppten Sachen durch die Gegend. Warum sie ein völlig neues Dorf aus dem Boden stampften, obwohl alle umliegenden Dörfer so ausgestorben waren, leuchtete uns irgendwie nicht so ganz ein, aber es war unglaublich faszinierend, das zu sehen.

Die Stunden vergingen und unsere Füße wurden langsam schwer. Unser Ziel war noch weit entfernt, aber um uns herum wurde es langsam düster. Zum ersten Mal auf unserem Trek zogen dunkle Wolken über den Himmel, die stark nach Regen aussahen. Sie verfingen sich in der Spitze des Dhaulagiri und waren dadurch genau über uns. Dummerweise würde auch die Sonne bald untergehen und so allmählich bekamen wir echt Zeitprobleme. Vor uns lagen noch gute 1 ½ Stunden, aber mich überkamen Müdigkeit und schmerzende Füße. Mit der Zeit fiel mir das Laufen immer schwerer, meine Aufmerksamkeit ließ rapide nach und an meinen Füßen bildeten sich Blasen. Ich fühlte mich hundeelend und wollte einfach nur schlafen. Wir machten noch einmal Halt an einer Kurve, von der aus man einen fantastischen Ausblick auf das breite Flussbett hatte. Eine ganze Weile später überquerten wir wieder eine Brücke auf die andere Uferseite. Ich war inzwischen so müde, dass mich noch nicht einmal mehr die Höhe interessierte. Nach der Brücke kamen wir auf einen gepflasterten Weg, der uns zunächst weiter durch den Wald und dann durch einen winzigen, aber wirklich hübschen Ort führte. Dann kam eine weitere Hängebrücke, die uns – endlich (es war bereits 17 Uhr) – nach Kalopani, unserem heutigen Ziel, führte. Direkt am Ortseingang stand eine große Lodge, die einem richtigen Hotel glich. Obwohl wir davon ausgingen, dass uns die Zimmer viel zu teuer sein würden, ließen wir uns ein Zimmer zeigen. Es war hübsch, sauber, mit eigenem Bad und heißer Dusche und siehe da – aufgrund der Nebensaison kostete das Zimmer „nur“ ca. 8 Euro. Wir blieben direkt dort, legten unsere Sachen ab und gingen hinunter in die große Dining Hall, die man tatsächlich schon als Restaurant hätte bezeichnen können. Es waren einige Gäste da, die wohl alle bereits auf ihr Essen warteten und dementsprechend lange dauerte auch unsere Bestellung. Während wir dort saßen, wurde es immer kühler und irgendwann wurde uns sogar richtig kalt. Unsere Jacken hatten wir im Zimmer gelassen und da wir jeden Moment mit unserem Essen rechneten, wollten wir sie auch nicht erst noch holen. Das Essen dauerte aber ewig, zumal man einen Teil meiner Bestellung vollkommen vergessen hatte und wir daher noch relativ lange völlig umsonst weiter warteten. Das Ergebnis war, dass wir gute zwei Stunden später durchgefroren in unser Zimmer zurückkehrten und dann auch noch in der Kälte duschen mussten.

Am nächsten Morgen wachte ich mit einer fetten Erkältung auf und auch meine Füße schmerzten so sehr, dass ich noch nicht einmal mehr in meine Schuhe kam. Für uns war daher klar, dass wir an diesem Tag nicht weiter laufen würden. Wir gönnten uns ein langes Frühstück und schlenderten gemütlich durch das Dorf. Kalopani bietet einen wunderbaren 360°-Panoramablick, denn es ist umgeben vom Dhaulagiri, der Annapurna I, der Annapurna Süd und zahlreichen weiteren Bergen zwischen 6.800 und 7.700 m Höhe. Zum Mittagessen setzten wir uns daher auf die Dachterrasse einer anderen Lodge im Dorf und genossen die Aussicht. Völlig vollgefuttert liefen wir dann noch etwas durch die Gegend, machten ein paar Fotos und ehe wir uns versahen, wurde es auch schon wieder dunkel. Wir stiegen auf die Dachterrasse unserer Lodge und beobachteten von dort aus, wie die untergehende Sonne die umliegenden Bergspitzen in ein feuriges Rot tauchte.

Mittagessen auf der Dachterrasse
Annapurna in der untergehenden Sonne

Etappe 11: Muktinath – Jomsom (2.740 m), 7.00 h

Für viele ist der Annapurna Circuit vorbei, sobald sie den Pass überquert haben. Viele wissen noch nicht einmal, dass der Trek noch viel weiter geht. Denn irgendwie hat es sich so eingeschlichen, dass die Leute nach dem Pass einfach einen Jeep nehmen und den Rest fahren. Grund dafür ist der Straßenbau, der auch auf dieser Seite rapide voranschreitet. Lange Zeit gab es keine Alternativrouten zur Jeep-Piste und verständlicherweise hatte dann keiner mehr Lust darauf, ständig im Staub zu laufen. Obwohl es inzwischen ausgeschilderte Wege abseits der Piste gibt, ist die Westseite des Circuits noch immer ausgestorben. Aber wir waren fest entschlossen, den kompletten Trek bis zum Ende durchzuziehen.

Am Tag nach der Passüberquerung entschieden wir uns für eine kurze Etappe, um unseren Körpern ein bisschen Erholung zu gönnen. Unser Ziel war deshalb das unweit gelegene Örtchen Kagbeni, das zum Einen sehr schön sein sollte und zum Anderen auch ein guter Ausgangspunkt für einen Ausflug nach Mustang hinein war. Da der Marsch bis dort hin keine drei Stunden dauern sollte, starteten wir mal wieder ganz gemütlich in den Tag und liefen dann so gegen 10 Uhr los. Schon am Ortsende von Muktinath traf uns der erste riesige Schock. Wir fanden uns plötzlich und völlig unerwartet auf einer nigelnagelneuen asphaltierten Straße wieder, auf der uns auch direkt ein Bus entgegenkam. Die Straße muss erst wenige Wochen alt gewesen sein, denn nirgendwo war bisher jemals von einer asphaltierten Straße auf dem Circuit die Rede gewesen. Und für den Anfang der Etappe gab es auch keine wirkliche Alternative zu der Straße, die einst eine urige Jeep-Piste gewesen ist. Wir folgten also der Straße den Berg hinunter und mussten dabei immer wieder Jeeps, Mopeds und Bussen ausweichen. Es sollte bald eine Abkürzung durch ein kleines Dorf kommen, aber wir konnten sie partout nicht finden. Und so blieben wir weiterhin auf der Straße. Wir verloren immer mehr an Höhe und hatten dabei die ganze Zeit dieses skurrile Bild von der weiten, sandigen Wüstenlandschaft Mustangs im Auge, während im Hintergrund schon die nächsten schneebedeckten Bergriesen in den Himmel ragten. Einer davon war der Dhaulagiri, ein weiterer 8.000er.

Ausblick kurz nach Muktinath
Blick zurück zum Pass

Schon bald konnten wir in der Ferne auch Kagbeni erkennen. Wir folgten weiterhin der asphaltierten Straße und waren inzwischen ziemlich genervt von all den Autos und Bussen, die an uns vorbei rauschten. Und – so toll die Straße für die Einheimischen natürlich ist – wirklich hübsch war der Anblick auch nicht. Zumal sich am Straßenrand leere Teerkanister stapelten. Langsam konnten wir verstehen, warum diese Seite des Passes von Trekkern lieber gemieden wird. Wir selbst bekamen mittlerweile Zweifel an unserem Plan. Eine Woche lang über Asphalt zu wandern klang nicht besonders verlockend. Und dann kam auch schon die nächste unerfreuliche Überraschung: Der 11 Uhr-Wind. Jeden Tag um 11 Uhr erheben sich im Kali-Gandaki-Tal starke Windböen, die bis zum späten Nachmittag anhalten. Wir hatten zwar davon in unserem Wanderführer gelesen, aber auf seine enorme Stärke waren wir null vorbereitet. Wir konnten kaum geradeaus laufen, so stark drückte uns der Wind zur Seite. Wir kniffen die Augen zusammen, lehnten uns gegen den Wind und suchten immer wieder Schutz hinter Felsen. Das war der Punkt, an dem wir uns entschieden, den Circuit abzubrechen. Wir verwarfen unseren Plan, heute in Kagbeni zu übernachten und am nächsten Tag einen Ausflug nach Mustang zu machen. Stattdessen würden wir in Kagbeni nur schnell Mittagessen und dann direkt weiter zur nächsten größeren Stadt laufen, von wo aus wir dann morgen mit dem Jeep zum Ende des Treks fahren würden. Auf Asphalt und Sturm hatten wir überhaupt keine Lust. Dann lieber nochmal woanders wandern gehen…

Kagbeni mit dem „Eingang“ nach Upper Mustang

Ein steiler Hang führte uns die letzten Meter hinunter nach Kagbeni. Überraschenderweise hörte an diesem Punkt der Asphalt auf und die Straße ging wieder in eine Schotter-Piste über. Ein weiteres Indiz dafür, dass der Asphalt noch ganz neu war und die Straße nun immer weiter ausgebaut wird. In Kagbeni gingen wir ohne große Umschweife direkt zu einer Lodge, die in unserem Wanderführer genannt war. Wir wollten keine Zeit verlieren, da unser neues Tagesziel – die Stadt Jomsom – noch gute 12 km entfernt lag. Noch während wir dort aßen, hörten wir draußen den Wind stärker werden. Zäune wackelten, Türen polterten und feiner Sand wirbelte in der Luft. Uns war klar, dass der Weg nach Jomsom der Horror werden würde. Ab Kagbeni verläuft der Weg direkt durch das Tal, entlang des breiten Flussbettes vom Kali Gandaki. Der ganze Wind wird durch dieses Tal geschleust und kommt einem mit voller Wucht entgegen. Es gibt keine Felsen, keine Bäume oder sonst irgendetwas Anderes, das einen vor dem Wind schützt. Aber wir mussten nur drei Stunden durchhalten und dann hätten wir es endgültig geschafft.

Kali-Gandaki-Tal

Es kam, wie es kommen musste. Wir quälten uns langsam, aber stetig dem Wind entgegen. Aufgewühlter Sand und Feinstaub blies uns geradewegs ins Gesicht. Wir zogen unsere winddichten Winterjacken und unsere Mützen an, obwohl es eigentlich zu warm dafür war. Wir setzten unsere Sonnenbrillen auf, um unsere Augen zu schützen und versuchten verzweifelt, mit den Armen den Sand abzuwehren. Nach einiger Zeit begannen Hals und Lunge zu brennen, weil wir zu viel von dem Staub eingeatmet hatten. Von der eigentlich wunderschönen Landschaft nahmen wir kaum etwas wahr. Wir liefen teils über die Jeep-Piste, teils direkt über das ausgetrocknete Flussbett. Auf dem Flussbett taten sich ständig richtige Sandstürme auf, bei denen nur noch wegducken half. Aber die Piste führte immer wieder steile Hänge hinauf und hätte uns deswegen deutlich mehr Zeit gekostet.

Aufgewirbelter Sand im Kali-Gandaki-Tal

Irgendwann kamen wir dann wieder an eine Stelle, an der ein Trampelpfad abseits der Straße durch das Kiesbett des Flusses führte. Wir überlegten kurz, welchen Weg wir nehmen würden und hatten uns schon fast für die Jeep-Piste entschieden, als wir ein ganzes Stück vor uns eine Gruppe von drei Leuten auf dem Kiesbett entdeckten. Wenn eine Gruppe aus drei Leuten besteht, dann ist einer davon meistens ein Guide. Und der wird schon wissen, wo es lang geht. Also gingen wir über das Flussbett. Circa eine halbe Stunde liefen wir über feinen Kies und balancierten über unbefestigte Steine. Die Jeep-Piste verlief einige Meter über uns am Hang und das heruntergekommene Geröll verbaute hin und wieder den Pfad. Dann hielten die Drei vor uns plötzlich an. Ihre Bewegungen ließen darauf schließen, dass sie nach einem Weg suchten. Kein gutes Zeichen. Wieder überlegten wir, wie wir weitermachen sollten. Weiterlaufen bis wir die Drei eingeholt hatten oder gleich umdrehen? Wir liefen weiter nach vorn. Umkehren hätte eine gute Stunde Umweg bedeutet und die Sonne war schon kurz vorm Untergehen. Wir holten die Dreiergruppe ein, die aus zwei Deutschen und einem Guide bestand. Sie erklärten uns, dass der Pfad verschüttet und nicht mehr begehbar sei. Offenbar wurde beim Straßenbau das ganze Geröll einfach den Hang hinuntergeschüttet und der Trampelpfad darunter begraben. Aber keiner von uns hatte die Motivation, die halbe Stunde nochmal zurückzulaufen und dann die Jeep-Piste zu nehmen. Wir schauten daher gemeinsam nach einer Stelle, an der wir den steilen Hang zur Straße hinaufklettern konnten. Das gestaltete sich als äußerst problematisch, da der Hang im Wesentlichen nur aus Kies bestand und die Absturzgefahr daher entsprechend hoch war. Nur an einer Stelle sprossen ein paar kleine Büsche aus dem Boden, die uns möglicherweise Halt geben würden. Ein Versuch war es wert. Wir kletterten nach oben, schlängelten uns durch das Gestrüpp, hielten uns an Wurzeln und Ästen fest und bemühten uns, uns nicht vom Gewicht der Rucksäcke nach hinten ziehen zu lassen. Und nach ein paar anstrengenden Minuten gelangen wir heil auf die Jeep-Piste. Bis nach Jomsom war es von hier aus nicht mehr weit. Die Straße führte schon bald wieder auf das Flussbett und in der Ferne wurden langsam die ersten Häuser sichtbar. Als wir den Ort erreichten, wunderten wir uns zunächst über die leeren, ausgestorbenen Gassen. Dann fiel uns plötzlich wieder ein, dass wir erst den alten Ortskern durchqueren und noch gute 20 Minuten bis zum neuen Ortskern laufen mussten. Die Sonne war schon fast vollständig untergegangen, als wir endlich ankamen. Man merkt sofort, dass Jomsom größer und touristischer ist als alle anderen Städte auf dem Trek. Die Stadt hat so um die 1.400 Einwohner und an einer breiten Hauptstraße reihen sich haufenweise Lodges und Shops aneinander. Wir gingen in einige der Lodges, um uns Zimmer zeigen zu lassen, aber einige davon waren bereits voll ausgebucht und in den Anderen verlangte man unverschämt hohe Preise. Etwas verwirrt sprachen wir auf der Straße ein paar Trekker an, die uns erzählten, dass die Preise für Jomsom wohl normal seien. Letztendlich fanden wir eine ganz nette Unterkunft, in der wir sogar allen Ernstes ein richtiges Bad mit heißer (!) Dusche auf dem Zimmer hatten. Der Spaß kostete uns ganze 13,- Euro, was für den Annapurna Circuit echt verdammt teuer war. Trotzdem kam uns die Dusche nach den Sandstürmen natürlich ziemlich gelegen. Drei Mal habe ich meine Haare gewaschen und selbst danach kam noch Sand gerieselt.

Etappe 10: Thorung Phedi – Thorung La – Muktinath (3.760 m), 9.30 h

4 Uhr. Der Wecker klingelte. Draußen war es stockfinster, aber für uns war es an der Zeit aufzustehen. Heute war der große Tag. Der Tag, an dem wir auf 5.416 m steigen und den Thorung La Pass überqueren würden. Wir packten unsere Rucksäcke und gingen zum Frühstück, das wir für 4.30 Uhr vorbestellt hatten. Das ganze Base Camp war schon auf den Beinen, denn alle hier hatten einen langen, verdammt harten Tag vor sich. Wir schaufelten in uns, so viel wir konnten. Die Energie würden wir definitiv brauchen. Zum Schluss gab es selbstverständlich noch Knoblauchsuppe.

Wir brachen kurz nach 5 Uhr auf. Mit Stirnlampen auf dem Kopf verließen wir das Base Camp und suchten nach dem Weg, was bei der Dunkelheit jedoch deutlich schwerer war als erwartet. Anfangs konnten wir den Weg überhaupt nicht finden, aber dann kamen wir auf etwas, das so aussah wie ein Pfad. Zumindest führte er uns in die richtige Richtung, nämlich nach oben. In der Finsternis konnten wir am ganzen Berg unzählige Lichter von kleinen Taschenlampen erkennen. Offensichtlich waren die meisten Trekker schon unterwegs. Es war extrem kalt, vermutlich so um die -15 °C, wenn nicht sogar noch kälter. Wir hatten fast alle Schichten von Klamotten an, die wir dabei hatten – Funktionsunterwäsche, dicke Wandersocken, Pullover, Winterjacke, Mütze, Handschuhe,… Die Bewegung hielt uns einigermaßen warm, aber Gesicht und Hände litten unter der klirrenden Kälte. Im Schneckentempo kletterten wir im Zick-Zack den Hang hinauf. Wir machten viele Pausen, versuchten viel zu trinken, aber das Wasser in unseren Flaschen war so kalt, dass es bereits zu gefrieren begann. Nach etwa einer halben Stunde begann die Dämmerung und der Himmel wurde langsam heller. Nach und nach konnten wir den Weg und unsere Umgebung erkennen. Wir hatten bereits einiges an Höhe geschafft, aber das High Camp war noch ein ganzes Stück entfernt. Der Weg vom Base Camp zum High Camp ist der mit Abstand steilste Part der Passüberquerung, da fast 400 Hm in anderthalb Stunden zu bewältigen sind. Wir marschierten auf dem steinigen Pfad langsam bergan und drehten uns immer wieder nach hinten, um die unglaubliche Aussicht in der Dämmerung auf uns wirken zu lassen.

Aufstieg zum High Camp in der Dämmerung

Am High Camp angekommen zwangen wir uns dazu, wenigstens eine unserer Wasserflaschen leer zu trinken, damit wir sie dort gleich wieder auffüllen konnten. Es schwammen mittlerweile Eisklumpen in der Flasche herum, aber viel Trinken ist auf dieser Höhe das absolute A und O. Der Höhenunterschied zwischen Base Camp und High Camp machte sich bei den Temperaturen deutlich bemerkbar. Obwohl inzwischen die Sonne aufging, war es hier oben noch viel kälter als beim Aufstieg. Wir zogen uns schnell noch dickere Pullover an, machten ein paar Fotos vom Sonnenaufgang und als ich dann meine Finger schon nicht mehr spüren konnte, wanderten wir weiter.

High Camp
Blick zurück vom High Camp

Es waren so viele Trekker unterwegs, dass wir heute wohl kaum mal alleine sein würden. Aber irgendwie hatte es auch etwas Beruhigendes, dass man auf dieser Höhe gerade nicht völlig alleine herumspaziert. Der Teil nach dem High Camp war am vollsten. Wir reihten uns in die Schlange von Wanderern ein und nahmen den nächsten Streckenabschnitt in Angriff. Wir befanden uns mitten im Hochgebirge. Überall um uns herum ragten schneebedeckte Felsriesen in die Höhe. Wir kamen aus dem Staunen gar nicht mehr heraus und mussten ständig anhalten, um die enormen Felswände anzustarren.

Blick zurück zum High Camp

Etwa eine Stunde nach dem High Camp kamen wir zu einem kleinen Teehaus, das völlig allein und abgeschieden auf inzwischen über 5.000 m einfach mal so am Wegrand stand. Das Geschäft schien zu boomen, denn vor der Hütte standen unzählige Trekker, die sich die Hände an einer Tasse heißem Tee wärmten. Auch wir legten ein kleines Päuschen ein, machten uns über unsere Snacks und versuchten, reichlich von unserem Eiswasser zu trinken.

Aussicht vom Teahouse

Bis zum Pass waren es von hier aus noch etwa zwei Stunden. Aber von nun an wurde es richtig hart. Nicht wegen der Strecke an sich, denn die war noch nicht einmal wirklich steil. Sondern wegen der Höhe. Wir hatten die 5.000 m-Grenze überschritten und das bekamen wir deutlich zu spüren. Wir konnten kaum noch normal laufen. Ganz langsam setzten wir einen Fuß vor den Anderen. Und so arbeiteten wir uns im Schneckentempo den Berg hinauf. Sobald wir mal nicht auf unsere Schritte achteten und etwas schneller liefen, waren wir sofort vollkommen außer Puste und mussten anhalten, um wieder zu Atem zu kommen. Das passierte vor allem nach Pausen immer wieder, weil man automatisch in seinem normalen Tempo zu laufen beginnt. Es dauert keine zehn Schritte, dann wird man direkt dafür bestraft. Damit der Puls nicht in die Höhe schießt, sollte man es hier oben besser vermeiden aus der Puste zu geraten. Und so trotteten wir mühselig über Schotterpisten dahin. Es zog und zog sich, während das Laufen immer schwerer wurde. Ich bekam wieder Kopfschmerzen, mir wurde richtig unwohl und irgendwann kam auch noch leichter Schwindel dazu. Deutliche Symptome der Höhenkrankheit. Aber wir waren dem Pass schon so nahe, dass Umkehren keinen wirklichen Sinn machen würde. Der Aufstieg wurde zur absoluten Qual und ich hoffte einfach nur noch darauf, dass wir es bald schaffen würden. Hinter uns lief ein Pärchen, dem es offenbar recht ähnlich ging. Gerade als die Beiden noch eine Pause einlegten und wir sie abhängten, kamen wir um eine Kurve und konnten vor uns die ersten Gebetsfahnen erkennen. Wir folgten dem Weg weiter um die Kurve herum, bis vor uns ein riesiger Berg an Gebetsfahnen erschien, in deren Mitte das Schild stand, das uns für unseren Erfolg gratulierte. Uns ergriff ein absolut unglaubliches Glücksgefühl, als mit einem Mal die ganze Last von uns fiel, die wir in den letzten Tagen und Stunden mit uns herum getragen hatten. Wir hatten es geschafft. Wir standen auf 5.416 m.

Thorung La Pass, 5.416 m
Die letzten Meter zum Thorung La

Und wer hätte es gedacht: Auf dem Pass stand ein kleines Teehaus. Irgendeine arme Sau quält sich jeden Tag in aller Herrgottsfrühe hier hoch (zumindest in der Hauptsaison), nur um hunderten von Trekkern den wahrscheinlich teuersten Tee in ganz Nepal zu verkaufen. Aber ein heißer Tee war genau das, was wir hier gerade brauchten. Ich hatte meine Handschuhe keine zwei Minuten für ein paar Fotos ausgezogen und konnte meine Finger schon wieder nicht mehr spüren. Es war einfach so irre kalt, dass es mich ununterbrochen am ganzen Körper schüttelte. Und dann ging ich in das kleine Teehäuschen und sah vor mir einen Australier in kurzen Shorts…

Wir beeilten uns mit dem Tee, denn weder die Kälte noch die Kopfschmerzen machten den Aufenthalt auf dem Pass sonderlich angenehm. Wir wollten so schnell wie möglich mit dem Abstieg beginnen. Und anders als man vielleicht erwarten möge, gibt es auf dem Pass auch keine Aussicht. Man steht ja nicht auf einer Bergspitze oder einem Bergkamm oder irgendetwas Ähnlichem. Man ist immer noch umgeben von Bergen, die deutlich höher sind und die einem gerade auf dem Pass jede Sicht verbauen. Obwohl man sich so lange hier hoch arbeitet, gibt es eigentlich keinen wirklichen Grund, lange hier oben zu bleiben. Das klingt vielleicht etwas paradox, aber auch wenn die meisten Trekker den Annapurna Circuit wegen dem Thorung La Pass machen, ist der Weg zum Pass letztendlich das Schönste an diesem Trek. Für uns ist es daher auch völlig unverständlich, wieso so viele Leute mit dem Jeep bis nach Manang fahren und erst dort das Wandern anfangen.

Als wir gegen 10 Uhr mit dem Abstieg auf der anderen Seite beginnen wollten, erreichte eine kleine Gruppe von Leuten den Pass. Darunter waren auch der ältere Däne und sein 14-jähriger Sohn, die wir am zweiten Tag unserer Wanderung kennengelernt hatten. Der Sohn sah jetzt nicht mehr so gelangweilt aus und sah den Vater-Sohn-Urlaub inzwischen offenbar mit anderen Augen. Wir gratulierten ihnen zu ihrem Erfolg und machten uns auf den Weg. Wir hatten heute noch einen langen Abstieg vor uns. Knapp 1.660 Hm waren in den nächsten 3-4 Stunden zu meistern.

Nach dem Pass ging es zunächst erstmal nur leicht bergab. Wir umwanderten noch eine Kurve und kamen dann zu einem Plateau, von dem aus wir hinab auf das Kali-Gandaki-Tal schauen konnten, welches uns die nächsten Tage begleiten würde. Wir hatten eine völlig neue, bisher noch unbekannte Landschaft betreten. Das Kali-Gandaki-Tal gehört zum Distrikt Mustang, in dem auch das früher unabhängige Königreich Mustang liegt. In Mustang herrscht ziemlich trockenes Klima, da die hohen Berge den Regen von der Region fernhalten. Dadurch ist die Landschaft extrem kahl und sandig. Was wir hier vor uns sahen, glich einer Wüste im Gebirge. Dieses Bild war äußerst merkwürdig und erstaunlich zugleich. Aber was wir auch sehen konnten war der steile Hang vor unseren Füßen. Dieser Hang ist der Grund dafür, dass man den Thorung  La Pass von Ost nach West überquert und nicht umgekehrt. Er ist bergab schon die Hölle, bergauf wäre er bei der geringen Akklimatisierung überhaupt nicht machbar. Selbst mit Trekkingstöcken schmerzten die Knie schon nach kürzester Zeit. Irgendwann kamen dann noch Blasen an den Zehen hinzu, denn die Füße stießen permanent vorne an die Schuhspitzen. Die Knöchel und die Waden fingen an zu brennen, weil wir bei jedem Schritt abbremsen mussten. Wir mussten uns ununterbrochen konzentrieren, um nicht abzurutschen und so packte uns bald auch die Müdigkeit. Nach etwa anderthalb bis zwei Stunden kamen wir zu einem weiteren Plateau, auf dem einige sehr einfache Restaurants aneinander gereiht waren. Schön war es hier nicht, aber meine Beine zitterten schon und ich brauchte dringend eine Pause. Wir blieben ziemlich lange sitzen und wären am liebsten an Ort und Stelle eingeschlafen. Aber irgendwann rafften wir uns wieder auf und zwangen uns dazu, auch noch die letzte Stunde durchzuhalten. Es ging weiter steil den Berg hinunter, bis wir dann irgendwann zu einem großen Tempelkomplex kamen, der zu Muktinath gehört. Von hier aus war es also gar nicht mehr weit. Viel Zeit zum Bestaunen des Tempelkomplexes blieb uns allerdings nicht, denn auf der ganzen Passüberquerung gibt es nicht eine Toilette und meine Blase schien zu spüren, dass wir bald ankommen würden. Wir beschleunigten unsere Schritte noch etwas und liefen dann in Muktinath schnurstracks zu einer sehr beliebten Lodge, von der ich zuvor schon gehört hatte. Es war gerade einmal 14.30 Uhr, als wir endlich in der Unterkunft ankamen und trotzdem waren schon fast alle Zimmer vergeben. Als uns einer der Jungs von der Lodge (Hotel Marley) unser Zimmer zeigte, gab er uns noch den Tipp, so schnell wie möglich duschen zu gehen, denn es gab nur zwei Duschen auf wirklich viele Zimmer. Scheinbar gönnten sich alle anderen Ankömmlinge erstmal ein Bier zur Feier des Tages und so waren die Duschen noch warm. Die Gelegenheit nutzten wir natürlich schnell aus und wurden mit der schönsten, wärmsten Dusche auf dem ganzen Trek belohnt. Danach bestellten wir uns ein umfangreiches Abendessen und setzten uns noch für ein paar Minuten an eine Feuerstelle, damit meine Haare vorm Schlafen noch trocknen konnten. Zum Feiern waren wir ohnehin viel zu müde.

Etappe 9: Yak Kharka – Thorung Phedi Base Camp (4.520 m), 4.15 m

Unsere erste Nacht auf über 4.000 m Höhe verlief überraschend angenehm. Keine Probleme beim Schlafen, keine Kopfschmerzen oder sonst irgendwelche Symptome der Höhenkrankheit. Es konnte also bedenkenlos weitergehen. Heute war der letzte Tag vor der Passüberquerung. Das Ziel: Thorung Phedi Base Camp. Schlafen auf 4.520 m. Es gibt nach dem Basecamp noch genau eine weitere Unterkunft, das High Camp auf ca. 4.900 m. Viele Leute schlafen hier, weil der Weg vom Base Camp zum High Camp der steilste Part der Passüberquerung ist und man vom Base Camp verdammt früh aufbrechen muss. Das wollen viele umgehen, indem sie einfach das Base Camp überspringen und direkt zum High Camp aufsteigen. Davon wird aber dringend abgeraten. Einerseits schon allein deswegen, weil das Maximum von 500 m Aufstieg deutlich überschritten wird. Andererseits aber auch, weil das High Camp viel zu hoch gelegen ist, um dort überhaupt schlafen zu können. Das mag kein Problem sein, wenn man sich vorher lange genug akklimatisiert hat, z.B. indem man den Umweg über den Tilicho Lake gegangen ist. Die meisten Trekker auf dem Annapurna Circuit sind aber nicht gut genug akklimatisiert, um auf fast 5.000 m schlafen zu können. Wir haben gehört, dass viele Leute im High Camp die ganze Nacht kein Auge zu machen. Scheinbar bekommen dort auch extrem viele Trekker die Höhenkrankheit oder Panikattacken, sodass sie mitten in der Nacht zum Base Camp absteigen müssen. Uns erschien es daher wesentlich sinnvoller, die Nacht im Base Camp zu verbringen, auch wenn der nächste Tag dadurch extrem lang werden würde. Lieber um 4 Uhr aufstehen als überhaupt nicht zu schlafen und sich die ganze Nacht fertig zu machen.

Da wir so schnell wie möglich die blöde Lodge in Yak Kharka verlassen wollten, beeilten wir uns beim Frühstück und beim Packen dieses Mal ganz besonders. Gegen 8.30 Uhr brachen wir dann auf. Der Gartenschlauch am Wegrand war zugefroren, weswegen wir unsere Flaschen heute mal an einer der Safe Drinking Water Stations auffüllen mussten. Die Safe Drinking Water Stations sind große Kanister mit gefiltertem Wasser, die man in einigen Orten findet und wo man sich für 1-2 Euro pro Liter Trinkwasser abfüllen kann. Die Strecke von Yak Kharka zum Base Camp ist recht kurz und größtenteils auch ziemlich einfach. Die Entfernung beträgt etwa 7 km und bietet daher Gelegenheit für viele Pausen. Die braucht man auf der Höhe auch, wie wir bei unserem Ausflug zum Ice Lake ja schon erfahren mussten. Durch karge Felslandschaft, über Bergsteppen hinweg und vorbei an Yak-Herden kämpften wir uns langsam, aber stetig immer weiter nach oben. Ab und zu hielten wir an, um andere Trekker an uns vorbeiziehen zu lassen und dann in Ruhe weiterzulaufen. Man merkte schon, dass sich die Leute hier oben nicht mehr so gut verteilen wie bisher. Zum Einen gab es ja nur noch den einen Weg. Zum Anderen mussten aber auch alle in den gleichen Dörfern übernachten und morgens in etwa zur gleichen Zeit loslaufen, was bisher ja nicht unbedingt der Fall war.

Yak

Nach gut einer Stunde erreichten wir Ledar, eine weitere Ansammlung von Lodges und kleinen Teehäusern. Da uns zu diesem Zeitpunkt schon eine ganze Weile eine Wandergruppe im Nacken hing, die wir auch durch kurze Stopps nicht losgeworden sind, gönnten wir uns in einem der Teehäuser ein zweites Frühstück. Es gab leckere Pancakes – für Fab einen Apfelpancake und für mich einen Normalen –, was uns nach den weniger guten Mahlzeiten in Yak Kharka durchaus gelegen kam. Ab Ledar waren wir dann wieder relativ allein unterwegs. Wahrscheinlich waren wir mal wieder die Letzten. Hin und wieder überholten wir mal ein paar Leute, aber in der nächsten Pause zogen sie dann wieder an uns vorbei. Wir versuchten, bewusst langsam zu laufen und uns viel Zeit zu nehmen, damit sich unsere Körper an die Höhe gewöhnen konnten. Wir zwängten uns literweise Wasser rein und griffen irgendwann sogar zu einer wirklich ekelhaften Elektrolytlösung.

Yak Herde auf einer Bergsteppe

Ungefähr eine weitere Stunde hinter Ledar mussten wir einen Hang steil im Zick-Zack hinuntersteigen, um dann unten auf einem kleinen Holzsteg einen Fluss zu überqueren und auf der anderen Seite steil im Zick-Zack wieder hinaufzusteigen. In ca. 15 Minuten ging es 100 Höhenmeter nach oben, was auf fast 4.500 m Höhe nicht zu unterschätzen ist. Während wir nach der Flussüberquerung den Hang wieder hinauf kraxelten, überholte uns plötzlich eine Herde vollbepackter Esel. Ihnen schien die Höhe nichts auszumachen. Immerhin war irgendjemand so nett, am oberen Ende des Hangs ein einzelnes Teehaus aufzustellen, sodass man sich dort gemütlich von der Anstrengung erholen kann. Uns war aber nicht nach Pause zumute. Uns war nach Fertigwerden. Der Rest der Strecke bis zum Base Camp war wieder einigermaßen eben, wenngleich auch trotzdem ziemlich anspruchsvoll. Da es nämlich auf dem Streckenabschnitt immer mal wieder Erdrutsche gibt, ist der Weg an einigen Stellen nicht gut befestigt und es herrscht Steinschlaggefahr. Etwa eine halbe Stunde braucht man, um diese Landslide-Area zu durchqueren, während man ständig misstrauisch auf den Steinhang neben sich schaut und die Ohren spitzt, um sofort reagieren zu können. Fab wollte zwischendrin eine Pause machen, aber ich fühlte mich an diesem Ort so unwohl, dass ich ihn schnell weitertrieb. Leider bekam er durch das schnelle Laufen Kopfschmerzen. Aber immerhin befand sich direkt hinter der Landslide-Area schon das Thorung Phedi Base Camp.

Landslide Area auf dem Weg zum Base Camp

In Thorung Phedi gibt es schon nur noch zwei Lodges, die dafür aber entsprechend groß sind. Wir gingen zur ersten Lodge, der Größeren von beiden. Wie schon in Yak Kharka war auch hier genau noch das teurere Zimmer mit der eigenen Toilette frei. Scheinbar war von den Trekkern keiner bereit, für solchen Luxus extra Geld zu bezahlen. Sehr zu unserer Freude, denn bei -20 °C wollten wir nachts nicht erst noch durch den halben Hof rennen. Fließendes Wasser gab es hier oben keines mehr. Dafür stand im Hof ein großer Kanister, aus dem man sich Wasser ablassen konnte.

Thorung Phedi Base Camp

Als wir unser Zimmer bezogen hatten, war es gerade mal 13 Uhr. Trotzdem war der Dining Room schon recht gut besucht. Wir suchten uns noch einen freien Tisch und bestellten haufenweise Essen. Die Preise sind mit der Höhe deutlich gestiegen, was aber natürlich verständlich ist – schließlich muss das Zeug ja auch irgendwie hierher gebracht werden. Das hielt uns aber nicht davon ab, uns die Bäuche ordentlich vollzuschlagen. Und mal ehrlich: Auf über 4.500 m einen fetten Burger für 6,- EUR serviert zu bekommen, ist ja wohl immer noch ein Witz. Die Einheimischen haben übrigens ein ganz spezielles Wundermittel gegen die Höhenkrankheit. Kräftige Knoblauchsuppe. Ob’s wirklich hilft weiß der Geier, aber die Knoblauchsuppe der Nepalesen ist wirklich unfassbar lecker, also warum nicht einfach probieren. In den letzten Tagen hatte sich die Knoblauchsuppe jedenfalls schon fest in meinem Speiseplan verankert und bisher wurde ich von der Höhenkrankheit weitestgehend verschont. Zufall?

Je mehr die Zeit voran schritt, desto voller wurde auch der Gemeinschaftsraum. Es lag eine starke Anspannung in der Luft und man merkte, wie die Trekker langsam die Aufregung packte. Wir blieben noch eine Weile sitzen, schauten auf unsere Handys. Erstaunlicherweise gab es auch hier noch immer WLAN, wenn auch ziemlich Schlechtes. Das Internet wird hier über Satellit bezogen und ist daher stark vom Wetter abhängig. Sobald Wolken aufziehen, wird die Verbindung schlechter. Aber es reicht zumindest für das Nötigste. Auf diese Weise schlugen wir uns noch etwas die Zeit tot, damit wir nicht zu zeitig ins Bett gehen. Aber da wir dieses Mal mitten in der Nacht wieder aufstehen mussten, gingen wir heute schon um 16 Uhr ins Bett.

Thorung Phedi Base Camp

Etappe 8: Braga – Yak Kharka (4.020 m), 5 h

Fab und ich waren uns erst nicht sicher, ob wir heute schon weiter laufen oder lieber noch eine Nacht in Braga bleiben wollten. Es gab noch Einiges zu sehen in der Gegend, zum Beispiel eine Höhle oder ein großes Kloster kurz vor Braga, welches schon von außen total faszinierend aussah. Aber irgendwie kam langsam diese Unruhe, fast schon Nervosität auf, weil wir dem Pass bereits so nahe waren und die Aufregung langsam stieg. Fab wollte es endlich hinter sich bringen und das konnte ich gut verstehen. Beim Frühstück fassten wir deswegen den Entschluss, uns heute auf den Weg nach Yak Kharka zu machen. Das bedeutete allerdings auch, dass wir heute die richtigen Bergdörfer hinter uns lassen und in Höhen aufsteigen würden, wo außer in den vereinzelten Lodges noch nicht einmal mehr die Einheimischen leben. Heute würden wir das erste Mal auf über 4.000 m Höhe schlafen. Ab heute wurde es ernst.

Bevor wir unsere Sachen packten, huschten wir noch einmal unter die heiße Dusche und wuschen unsere Haare. Schließlich konnte man ja nicht wissen, wann wir das nächste Mal warmes – oder überhaupt fließendes – Wasser bekommen würden. Danach verabschiedeten wir uns schweren Herzens von Linda und Thomas. Thomas ging es leider gar nicht gut. In der Nacht hatte er teilweise mit Atemnot zu kämpfen und beim Frühstück brannte ihm Lunge. Keiner wusste, ob es an der Höhe lag oder er sich eine Infektion eingefangen hatte. Weiter aufsteigen kam für ihn jedenfalls erstmal nicht in Frage. Wir mussten also alleine weiter. Immerhin waren meine Kopfschmerzen über Nacht völlig abgeklungen, sodass wir bedenkenlos die nächste Etappe in Angriff nehmen konnten.

Bis nach Manang verlief der Weg ganz entspannt am Fluss entlang über die Jeep-Piste. Die Piste endete jedoch am Ortseingang von Manang endgültig. Ein weiteres Zeichen dafür, dass wir die besiedelten Gegenden auf dieser Seite des Passes nun verlassen würden. Wir liefen durch Manang, vorbei an all den Lodges, Bäckereien und kleinen Läden. In zwei der Bäckereien machten wir einen kurzen Stopp, um uns noch etwas zu stärken und Marschverpflegung einzukaufen. Im Ortszentrum mussten wir bei einem ACAP Check-Post noch einmal unsere Permits vorzeigen. Neben dem Check-Post stand eine hübsche Chörte mit Gebetsmühlen, von der aus man einen ziemlich guten Ausblick auf den Gangapurna-Gletscher hat.

Manang
Gebetsmühlen in Manang

Wir verließen den Ort durch enge Gassen und folgten dann dem Wanderweg vorbei an einigen Feldern. Da wir erst gegen 10.30 Uhr in Braga aufgebrochen waren und anschließend in Manang noch recht viel Zeit verplempert hatten, war es mal wieder viel zu spät. Das Problem ist nämlich, dass es auf diesen Höhen ab dem Mittag sehr, sehr windig wird und auch wir es mit starken Windböen zu tun bekamen, nachdem wir Manang verlassen hatten. Auch waren inzwischen wieder einige Wolken in die Bergspitzen gezogen, wodurch es mitunter richtig kalt wurde. Das Laufen wurde dadurch ziemlich ungemütlich. Dafür hatten wir unterwegs einen schönen Blick auf das Tal und auf das hinter uns liegende Manang.

Blick zurück auf das Manang-Tal

Nach etwa zwei weiteren Stunden kamen wir nach Gunsang, wo eine Lodge mit einer kleinen Dachterrasse stand. Wir fragten die Besitzerin, ob wir mal hinauf gehen dürften und glücklicherweise ließ sie uns auch. Von der Dachterrasse hatte man eine tolle Aussicht auf die Annapurna II, IV und III sowie den Gangapurna.

Ausblick von Gunsang

Das Manang-Tal hatten wir inzwischen verlassen, um weiter Richtung Norden und tiefer in die Berge zu gelangen. Es war bereits hinter einem Berghang verschwunden und kaum noch zu sehen. Von nun an gab es nur noch alpines Gelände. Trotzdem war der weitere Weg von Gunsang aus eher eben und anspruchslos. Je mehr wir Richtung Norden kamen und uns vom Manang-Tal entfernten, desto weniger war allerdings auch von den Annapurnas zu sehen, die hinter uns im Süden lagen und langsam hinter anderen Bergen verschwanden. Ab und zu blitzte mal noch eine schneebedeckte Eiswand hervor, aber so nach und nach kamen wir immer tiefer in das Gebirge und außer den Bergen direkt neben uns war kaum noch etwas anderes zu sehen. Auf einer flachen Ebene sammelten eine alte nepalesische Dame und zwei europäisch aussehende Ausländer den getrockneten Dung von Yaks ein. Den Dung benutzen die Einheimischen hier vor allem zum Befeuern ihrer Öfen. Trotzdem ist es irgendwie komisch zu sehen, wie das Zeug mit bloßen Händen eingesammelt wird.

Danach dauerte es gar nicht mehr so lange, da erreichten wir auch schon Yak Kharka. Der Ort besteht nur aus vier Lodges, mehr gibt es hier nicht. Es war so circa 15.30 Uhr und bereits ziemlich dunkel. Wir konnten schon von außen erkennen, dass die Lodges recht gut besucht waren und vermutlich nicht mehr allzu viele Trekker nach uns kommen würden. Wir suchten uns die größte Lodge heraus und ließen uns ein Zimmer zeigen. Die Unterkünfte waren hier oben deutlich einfacher und rustikaler als bisher, aber immerhin war noch eines der wenigen Zimmer mit eigener Toilette für uns übrig. Fließendes Wasser gab es hier schon nur noch in Form eines dünnen Schlauchs, der neben der Lodge am Wegrand auf der Wiese lag und aus dem es ganz leicht tröpfelte. Aber das Wasser war so irre kalt, dass man es ohnehin nur im äußersten Notfall nutzen wollte. Nach unserer Ankunft hatten wir uns nur kurz die Hände waschen wollen, aber ein paar Sekunden unter dem Wasser hatten gereicht, damit wir unsere Finger bereits nicht mehr spüren konnten.

Yak Kharka

In unserer Lodge gab es einen kleinen Gemeinschaftsraum mit einem Holzofen, der vollgepackt mit (überwiegend jungen) Wanderern war (der Raum, nicht der Ofen). Trotzdem hörte man kaum einen Mucks. Die meisten starrten auf ihre Handys (erstaunlicherweise gab es hier nämlich tatsächlich WLAN), andere lasen oder schrieben Tagebuch. Alle sahen völlig erschöpft aus und wollten einfach nur noch ihre Ruhe haben. Gefallen hat es uns in der Lodge überhaupt nicht. Die Besitzer waren absolut unfreundlich und hatten sichtbar überhaupt keinen Bock. Wenn man sie ansprach, reagierten sie entweder überhaupt nicht oder schnauzten einen nur an. Das Essen war nicht sonderlich lecker und rumorte selbst am nächsten Tag noch in unseren Mägen. Wir gingen deswegen mal wieder direkt nach dem Essen ins Bett und gönnten uns einen langen Schlaf.

Akklimatisierung am Ice Lake (4.635 m), 8.15 h

Nach dem irre anstrengenden Aufstieg von Pisang nach Ghyaru vor zwei Tagen wollten wir eigentlich gar nicht wissen, wie sich der angeblich anstrengendste Teil des ganzen Annapurna Circuits anfühlt. Trotzdem wollten wir den etwa vierstündigen Aufstieg zum Ice Lake unbedingt in Angriff nehmen. Allein schon wegen der grandiosen Aussicht, die man von da oben haben soll. Vor allem aber auch, weil der Ice Lake auf über 4.600 m liegt und dieser Tagesausflug unsere Körper perfekt auf das Kommende vorbereiten würde. Dennoch: Der Höhenunterschied zwischen Braga und dem Ice Lake beträgt fast 1.170 m und das muss man bei der dünnen Luft auch erstmal in vier Stunden schaffen.

Damit wir nicht abends im Dunkeln den Berg hinuntersteigen müssen, war heute mal wieder zeitig Aufstehen angesagt. Wir trafen uns mit Linda und Thomas zum Frühstück und starteten dann gemeinsam um 8 Uhr unseren Ausflug. Zunächst durchquerten wir den eigentlichen Ort Braga. Braga besteht nämlich so gesehen aus zwei Teilen: dem alten Ortskern und den Lodges daneben an der Jeep-Piste. Braga liegt genau vor dem Berg, den wir heute hinaufklettern wollten. Hinter dem Ort ging es also direkt mit dem Aufstieg los. Wir konnten bereits weiter oben ein Plateau erkennen, welches laut Karte auf halben Weg zum See liegen sollte. Sah eigentlich gar nicht so schlimm aus, wie wir uns das vorgestellt hatten. Wir kamen gut voran und gewannen schnell an Höhe. Braga wurde unter uns immer kleiner und der Ausblick auf das Manang-Tal immer besser.

Manang-Tal mit Braga vorne und Manang hinten am Fluss; im Hintergrund ist die Grand Barriere mit der schneebedeckten Tilicho Peak (7.134 m)

Nach nur einer halben Stunde waren wir dem Plateau schon so nahe, dass wir für die Strecke bis zum See wohl kaum die kompletten vier Stunden benötigen würden. Der Weg war steil und sehr steinig. Wieder mussten wir aller paar Minuten anhalten und durchatmen. Der Sauerstoffmangel machte sich inzwischen deutlich bemerkbar und das Laufen fiel uns mit jedem Schritt schwerer. Als wir dann am Plateau ankamen, wurde der Blick auf ein zweites, weit über uns liegendes Plateau frei. Erschreckend wurde uns klar, dass wir längst noch nicht dort waren, wo wir eigentlich zu sein dachten. Stattdessen waren wir sogar noch so weit davon entfernt, dass ich plötzlich jeden Willen zum Laufen verloren hatte. Wirklich, von der einen Sekunde auf die Andere ist mir die Lust sowas von vergangen, dass ich am liebsten einfach umgedreht wäre. Aber natürlich quälte ich mich weiter den Berg hinauf bis zum nächsten Plateau auf ca. 4.000 m Höhe. Halbzeit. Auf dem Plateau stand ein keines Steinhaus, das offenbar noch recht neu war. Weder unser Wanderführer, noch die Karten von Linda und Thomas schienen dieses kleine Häuschen zu kennen. Mit einer Steinmauer war eine kleine Terrasse abgegrenzt, auf der ein einzelner Tisch stand. Diesen verließen gerade ein paar Wanderer, sodass wir ihren Platz einnehmen konnten. Wir bestellten uns eine Kanne Tee und gönnten uns eine wohlverdiente Pause. Überall auf dem Plateau wehten bunte Gebetsfahnen in der Sonne. Der Himmel war strahlend blau und die Aussicht von hier oben ohne jeden Zweifel die mit Abstand Beste auf diesem ganzen Trip. Wir konnten von hier aus nicht nur die Annapurna II (7.937 m) sehen, sondern auch die Annapurna IV (7.525 m), den Gangapurna (7.455 m), den Glacier Dome (7.202 m) und die Grande Barriere mit der Tilicho Peak (7.134 m). Sogar die Landslide Area auf dem Weg zum Tilicho Lake war von hier aus deutlich zu erkennenn. Wir konnten gar nicht aufhören, auf die massiven Bergriesen zu starren und unzählige Fotos zu machen. Es war einfach traumhaft schön.

Teehaus auf ca. 4.000 m

Trotzdem mussten wir schon bald weiter. Der Aufstieg war so anstrengend, dass er uns nicht nur den Atem raubte, sondern auch die Nerven stark strapazierte. Immer wieder glaubten wir, es fast geschafft zu haben. Immer wieder konnten wir in der Ferne ein Plateau erkennen, von dem wir hofften, dass es das Ende unseres Aufstiegs bedeutet. Und immer wieder wurden wir enttäuscht. Jedes Mal, wenn wir endlich eines der Plateaus erreichten, wurde ein weiterer Hang mit einem weiteren Plateau sichtbar. Und so quälten wir uns weitere zwei Stunden den Berg hinauf. Bis wir dann endlich auf eine große Ebene kamen, auf der ein Weg nahezu ausschließlich geradeaus bis zum Ice Lake führte. Vor dem Ice Lake stand eine kleine Stupa, an der ein ausgetrampelter Pfad vorbeiging. Dieser Pfad brachte uns an das gegenüberliegende Ufer des Sees, von wo aus man einen hervorragenden Blick auf den See und die Bergkette im Hintergrund hat. Es stimmt durchaus, was wir über diesen Ort gelesen haben: Der See selbst ist nichts Besonderes, aber die Aussicht auf dem Weg hierher ist einfach so unfassbar überwältigend, dass sie einem teilweise schon Gänsehaut über den Körper treibt. Vor allem weil man immer das Wissen im Kopf hat, wie unglaublich groß diese Berge sind, vor denen man da gerade steht.

Ice Lake (4.635 m)

Lange wollten wir hier oben eigentlich auch gar nicht bleiben. Es war bereits ca. 12.30 Uhr und für den Abstieg planten wir etwa 3 Stunden ein. Da wir uns vorgenommen hatten, gegen 16 Uhr wieder in unserer Lodge zu sein, blieb uns ohnehin nicht allzu viel Zeit. Hinzu kam aber auch, dass ich mittlerweile ziemlich starke Kopfschmerzen bekommen hatte und schon allein deswegen so schnell wie möglich wieder in niedrigere Gefilde absteigen wollte. Wir setzten uns in die Wiese, naschten unsere mitgebrachten Snacks und machten ein paar Fotos von diesem herrlichen Panorama. Dabei verging die Zeit viel schneller als gedacht. Irgendwie waren wir dann letztlich doch weit mehr als eine Stunde hier oben am Ice Lake, bevor wir dann endlich wieder aufbrachen. Inzwischen war zu meinen Kopfschmerzen auch noch Übelkeit hinzu gekommen und ich wollte keine Minute länger auf dieser Höhe bleiben. Wir marschierten zügig wieder über die Ebene zurück zum Hang, an dem wir uns dann den steilen Weg hinunter arbeiteten. Zwischendurch machten wir nochmal eine kurze Pause, weil Fab unbedingt von einem ganz bestimmten Punkt das Panorama fotografieren wollte. Und dann liefen wir ohne weitere Pause so schnell wir konnten zurück nach Braga. Tatsächlich kamen wir sogar kurz nach 16 Uhr wieder in unserer Lodge an, wo wir direkt unser Essen bestellten. Meine Kopfschmerzen waren noch immer so stark wie zuvor und ich war so hundemüde, dass ich sofort hätte einschlafen können. Obwohl mein Magen total knurrte, war ich viel zu fertig, um meinen ganzen Gemüseburger aufzuessen. Ich überließ ihn Fab, schnappte meine Sachen und ging in Bett, wo ich direkt einschlief.

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