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Etappe 11: Muktinath – Jomsom (2.740 m), 7.00 h

Für viele ist der Annapurna Circuit vorbei, sobald sie den Pass überquert haben. Viele wissen noch nicht einmal, dass der Trek noch viel weiter geht. Denn irgendwie hat es sich so eingeschlichen, dass die Leute nach dem Pass einfach einen Jeep nehmen und den Rest fahren. Grund dafür ist der Straßenbau, der auch auf dieser Seite rapide voranschreitet. Lange Zeit gab es keine Alternativrouten zur Jeep-Piste und verständlicherweise hatte dann keiner mehr Lust darauf, ständig im Staub zu laufen. Obwohl es inzwischen ausgeschilderte Wege abseits der Piste gibt, ist die Westseite des Circuits noch immer ausgestorben. Aber wir waren fest entschlossen, den kompletten Trek bis zum Ende durchzuziehen.

Am Tag nach der Passüberquerung entschieden wir uns für eine kurze Etappe, um unseren Körpern ein bisschen Erholung zu gönnen. Unser Ziel war deshalb das unweit gelegene Örtchen Kagbeni, das zum Einen sehr schön sein sollte und zum Anderen auch ein guter Ausgangspunkt für einen Ausflug nach Mustang hinein war. Da der Marsch bis dort hin keine drei Stunden dauern sollte, starteten wir mal wieder ganz gemütlich in den Tag und liefen dann so gegen 10 Uhr los. Schon am Ortsende von Muktinath traf uns der erste riesige Schock. Wir fanden uns plötzlich und völlig unerwartet auf einer nigelnagelneuen asphaltierten Straße wieder, auf der uns auch direkt ein Bus entgegenkam. Die Straße muss erst wenige Wochen alt gewesen sein, denn nirgendwo war bisher jemals von einer asphaltierten Straße auf dem Circuit die Rede gewesen. Und für den Anfang der Etappe gab es auch keine wirkliche Alternative zu der Straße, die einst eine urige Jeep-Piste gewesen ist. Wir folgten also der Straße den Berg hinunter und mussten dabei immer wieder Jeeps, Mopeds und Bussen ausweichen. Es sollte bald eine Abkürzung durch ein kleines Dorf kommen, aber wir konnten sie partout nicht finden. Und so blieben wir weiterhin auf der Straße. Wir verloren immer mehr an Höhe und hatten dabei die ganze Zeit dieses skurrile Bild von der weiten, sandigen Wüstenlandschaft Mustangs im Auge, während im Hintergrund schon die nächsten schneebedeckten Bergriesen in den Himmel ragten. Einer davon war der Dhaulagiri, ein weiterer 8.000er.

Ausblick kurz nach Muktinath
Blick zurück zum Pass

Schon bald konnten wir in der Ferne auch Kagbeni erkennen. Wir folgten weiterhin der asphaltierten Straße und waren inzwischen ziemlich genervt von all den Autos und Bussen, die an uns vorbei rauschten. Und – so toll die Straße für die Einheimischen natürlich ist – wirklich hübsch war der Anblick auch nicht. Zumal sich am Straßenrand leere Teerkanister stapelten. Langsam konnten wir verstehen, warum diese Seite des Passes von Trekkern lieber gemieden wird. Wir selbst bekamen mittlerweile Zweifel an unserem Plan. Eine Woche lang über Asphalt zu wandern klang nicht besonders verlockend. Und dann kam auch schon die nächste unerfreuliche Überraschung: Der 11 Uhr-Wind. Jeden Tag um 11 Uhr erheben sich im Kali-Gandaki-Tal starke Windböen, die bis zum späten Nachmittag anhalten. Wir hatten zwar davon in unserem Wanderführer gelesen, aber auf seine enorme Stärke waren wir null vorbereitet. Wir konnten kaum geradeaus laufen, so stark drückte uns der Wind zur Seite. Wir kniffen die Augen zusammen, lehnten uns gegen den Wind und suchten immer wieder Schutz hinter Felsen. Das war der Punkt, an dem wir uns entschieden, den Circuit abzubrechen. Wir verwarfen unseren Plan, heute in Kagbeni zu übernachten und am nächsten Tag einen Ausflug nach Mustang zu machen. Stattdessen würden wir in Kagbeni nur schnell Mittagessen und dann direkt weiter zur nächsten größeren Stadt laufen, von wo aus wir dann morgen mit dem Jeep zum Ende des Treks fahren würden. Auf Asphalt und Sturm hatten wir überhaupt keine Lust. Dann lieber nochmal woanders wandern gehen…

Kagbeni mit dem „Eingang“ nach Upper Mustang

Ein steiler Hang führte uns die letzten Meter hinunter nach Kagbeni. Überraschenderweise hörte an diesem Punkt der Asphalt auf und die Straße ging wieder in eine Schotter-Piste über. Ein weiteres Indiz dafür, dass der Asphalt noch ganz neu war und die Straße nun immer weiter ausgebaut wird. In Kagbeni gingen wir ohne große Umschweife direkt zu einer Lodge, die in unserem Wanderführer genannt war. Wir wollten keine Zeit verlieren, da unser neues Tagesziel – die Stadt Jomsom – noch gute 12 km entfernt lag. Noch während wir dort aßen, hörten wir draußen den Wind stärker werden. Zäune wackelten, Türen polterten und feiner Sand wirbelte in der Luft. Uns war klar, dass der Weg nach Jomsom der Horror werden würde. Ab Kagbeni verläuft der Weg direkt durch das Tal, entlang des breiten Flussbettes vom Kali Gandaki. Der ganze Wind wird durch dieses Tal geschleust und kommt einem mit voller Wucht entgegen. Es gibt keine Felsen, keine Bäume oder sonst irgendetwas Anderes, das einen vor dem Wind schützt. Aber wir mussten nur drei Stunden durchhalten und dann hätten wir es endgültig geschafft.

Kali-Gandaki-Tal

Es kam, wie es kommen musste. Wir quälten uns langsam, aber stetig dem Wind entgegen. Aufgewühlter Sand und Feinstaub blies uns geradewegs ins Gesicht. Wir zogen unsere winddichten Winterjacken und unsere Mützen an, obwohl es eigentlich zu warm dafür war. Wir setzten unsere Sonnenbrillen auf, um unsere Augen zu schützen und versuchten verzweifelt, mit den Armen den Sand abzuwehren. Nach einiger Zeit begannen Hals und Lunge zu brennen, weil wir zu viel von dem Staub eingeatmet hatten. Von der eigentlich wunderschönen Landschaft nahmen wir kaum etwas wahr. Wir liefen teils über die Jeep-Piste, teils direkt über das ausgetrocknete Flussbett. Auf dem Flussbett taten sich ständig richtige Sandstürme auf, bei denen nur noch wegducken half. Aber die Piste führte immer wieder steile Hänge hinauf und hätte uns deswegen deutlich mehr Zeit gekostet.

Aufgewirbelter Sand im Kali-Gandaki-Tal

Irgendwann kamen wir dann wieder an eine Stelle, an der ein Trampelpfad abseits der Straße durch das Kiesbett des Flusses führte. Wir überlegten kurz, welchen Weg wir nehmen würden und hatten uns schon fast für die Jeep-Piste entschieden, als wir ein ganzes Stück vor uns eine Gruppe von drei Leuten auf dem Kiesbett entdeckten. Wenn eine Gruppe aus drei Leuten besteht, dann ist einer davon meistens ein Guide. Und der wird schon wissen, wo es lang geht. Also gingen wir über das Flussbett. Circa eine halbe Stunde liefen wir über feinen Kies und balancierten über unbefestigte Steine. Die Jeep-Piste verlief einige Meter über uns am Hang und das heruntergekommene Geröll verbaute hin und wieder den Pfad. Dann hielten die Drei vor uns plötzlich an. Ihre Bewegungen ließen darauf schließen, dass sie nach einem Weg suchten. Kein gutes Zeichen. Wieder überlegten wir, wie wir weitermachen sollten. Weiterlaufen bis wir die Drei eingeholt hatten oder gleich umdrehen? Wir liefen weiter nach vorn. Umkehren hätte eine gute Stunde Umweg bedeutet und die Sonne war schon kurz vorm Untergehen. Wir holten die Dreiergruppe ein, die aus zwei Deutschen und einem Guide bestand. Sie erklärten uns, dass der Pfad verschüttet und nicht mehr begehbar sei. Offenbar wurde beim Straßenbau das ganze Geröll einfach den Hang hinuntergeschüttet und der Trampelpfad darunter begraben. Aber keiner von uns hatte die Motivation, die halbe Stunde nochmal zurückzulaufen und dann die Jeep-Piste zu nehmen. Wir schauten daher gemeinsam nach einer Stelle, an der wir den steilen Hang zur Straße hinaufklettern konnten. Das gestaltete sich als äußerst problematisch, da der Hang im Wesentlichen nur aus Kies bestand und die Absturzgefahr daher entsprechend hoch war. Nur an einer Stelle sprossen ein paar kleine Büsche aus dem Boden, die uns möglicherweise Halt geben würden. Ein Versuch war es wert. Wir kletterten nach oben, schlängelten uns durch das Gestrüpp, hielten uns an Wurzeln und Ästen fest und bemühten uns, uns nicht vom Gewicht der Rucksäcke nach hinten ziehen zu lassen. Und nach ein paar anstrengenden Minuten gelangen wir heil auf die Jeep-Piste. Bis nach Jomsom war es von hier aus nicht mehr weit. Die Straße führte schon bald wieder auf das Flussbett und in der Ferne wurden langsam die ersten Häuser sichtbar. Als wir den Ort erreichten, wunderten wir uns zunächst über die leeren, ausgestorbenen Gassen. Dann fiel uns plötzlich wieder ein, dass wir erst den alten Ortskern durchqueren und noch gute 20 Minuten bis zum neuen Ortskern laufen mussten. Die Sonne war schon fast vollständig untergegangen, als wir endlich ankamen. Man merkt sofort, dass Jomsom größer und touristischer ist als alle anderen Städte auf dem Trek. Die Stadt hat so um die 1.400 Einwohner und an einer breiten Hauptstraße reihen sich haufenweise Lodges und Shops aneinander. Wir gingen in einige der Lodges, um uns Zimmer zeigen zu lassen, aber einige davon waren bereits voll ausgebucht und in den Anderen verlangte man unverschämt hohe Preise. Etwas verwirrt sprachen wir auf der Straße ein paar Trekker an, die uns erzählten, dass die Preise für Jomsom wohl normal seien. Letztendlich fanden wir eine ganz nette Unterkunft, in der wir sogar allen Ernstes ein richtiges Bad mit heißer (!) Dusche auf dem Zimmer hatten. Der Spaß kostete uns ganze 13,- Euro, was für den Annapurna Circuit echt verdammt teuer war. Trotzdem kam uns die Dusche nach den Sandstürmen natürlich ziemlich gelegen. Drei Mal habe ich meine Haare gewaschen und selbst danach kam noch Sand gerieselt.

Etappe 10: Thorung Phedi – Thorung La – Muktinath (3.760 m), 9.30 h

4 Uhr. Der Wecker klingelte. Draußen war es stockfinster, aber für uns war es an der Zeit aufzustehen. Heute war der große Tag. Der Tag, an dem wir auf 5.416 m steigen und den Thorung La Pass überqueren würden. Wir packten unsere Rucksäcke und gingen zum Frühstück, das wir für 4.30 Uhr vorbestellt hatten. Das ganze Base Camp war schon auf den Beinen, denn alle hier hatten einen langen, verdammt harten Tag vor sich. Wir schaufelten in uns, so viel wir konnten. Die Energie würden wir definitiv brauchen. Zum Schluss gab es selbstverständlich noch Knoblauchsuppe.

Wir brachen kurz nach 5 Uhr auf. Mit Stirnlampen auf dem Kopf verließen wir das Base Camp und suchten nach dem Weg, was bei der Dunkelheit jedoch deutlich schwerer war als erwartet. Anfangs konnten wir den Weg überhaupt nicht finden, aber dann kamen wir auf etwas, das so aussah wie ein Pfad. Zumindest führte er uns in die richtige Richtung, nämlich nach oben. In der Finsternis konnten wir am ganzen Berg unzählige Lichter von kleinen Taschenlampen erkennen. Offensichtlich waren die meisten Trekker schon unterwegs. Es war extrem kalt, vermutlich so um die -15 °C, wenn nicht sogar noch kälter. Wir hatten fast alle Schichten von Klamotten an, die wir dabei hatten – Funktionsunterwäsche, dicke Wandersocken, Pullover, Winterjacke, Mütze, Handschuhe,… Die Bewegung hielt uns einigermaßen warm, aber Gesicht und Hände litten unter der klirrenden Kälte. Im Schneckentempo kletterten wir im Zick-Zack den Hang hinauf. Wir machten viele Pausen, versuchten viel zu trinken, aber das Wasser in unseren Flaschen war so kalt, dass es bereits zu gefrieren begann. Nach etwa einer halben Stunde begann die Dämmerung und der Himmel wurde langsam heller. Nach und nach konnten wir den Weg und unsere Umgebung erkennen. Wir hatten bereits einiges an Höhe geschafft, aber das High Camp war noch ein ganzes Stück entfernt. Der Weg vom Base Camp zum High Camp ist der mit Abstand steilste Part der Passüberquerung, da fast 400 Hm in anderthalb Stunden zu bewältigen sind. Wir marschierten auf dem steinigen Pfad langsam bergan und drehten uns immer wieder nach hinten, um die unglaubliche Aussicht in der Dämmerung auf uns wirken zu lassen.

Aufstieg zum High Camp in der Dämmerung

Am High Camp angekommen zwangen wir uns dazu, wenigstens eine unserer Wasserflaschen leer zu trinken, damit wir sie dort gleich wieder auffüllen konnten. Es schwammen mittlerweile Eisklumpen in der Flasche herum, aber viel Trinken ist auf dieser Höhe das absolute A und O. Der Höhenunterschied zwischen Base Camp und High Camp machte sich bei den Temperaturen deutlich bemerkbar. Obwohl inzwischen die Sonne aufging, war es hier oben noch viel kälter als beim Aufstieg. Wir zogen uns schnell noch dickere Pullover an, machten ein paar Fotos vom Sonnenaufgang und als ich dann meine Finger schon nicht mehr spüren konnte, wanderten wir weiter.

High Camp
Blick zurück vom High Camp

Es waren so viele Trekker unterwegs, dass wir heute wohl kaum mal alleine sein würden. Aber irgendwie hatte es auch etwas Beruhigendes, dass man auf dieser Höhe gerade nicht völlig alleine herumspaziert. Der Teil nach dem High Camp war am vollsten. Wir reihten uns in die Schlange von Wanderern ein und nahmen den nächsten Streckenabschnitt in Angriff. Wir befanden uns mitten im Hochgebirge. Überall um uns herum ragten schneebedeckte Felsriesen in die Höhe. Wir kamen aus dem Staunen gar nicht mehr heraus und mussten ständig anhalten, um die enormen Felswände anzustarren.

Blick zurück zum High Camp

Etwa eine Stunde nach dem High Camp kamen wir zu einem kleinen Teehaus, das völlig allein und abgeschieden auf inzwischen über 5.000 m einfach mal so am Wegrand stand. Das Geschäft schien zu boomen, denn vor der Hütte standen unzählige Trekker, die sich die Hände an einer Tasse heißem Tee wärmten. Auch wir legten ein kleines Päuschen ein, machten uns über unsere Snacks und versuchten, reichlich von unserem Eiswasser zu trinken.

Aussicht vom Teahouse

Bis zum Pass waren es von hier aus noch etwa zwei Stunden. Aber von nun an wurde es richtig hart. Nicht wegen der Strecke an sich, denn die war noch nicht einmal wirklich steil. Sondern wegen der Höhe. Wir hatten die 5.000 m-Grenze überschritten und das bekamen wir deutlich zu spüren. Wir konnten kaum noch normal laufen. Ganz langsam setzten wir einen Fuß vor den Anderen. Und so arbeiteten wir uns im Schneckentempo den Berg hinauf. Sobald wir mal nicht auf unsere Schritte achteten und etwas schneller liefen, waren wir sofort vollkommen außer Puste und mussten anhalten, um wieder zu Atem zu kommen. Das passierte vor allem nach Pausen immer wieder, weil man automatisch in seinem normalen Tempo zu laufen beginnt. Es dauert keine zehn Schritte, dann wird man direkt dafür bestraft. Damit der Puls nicht in die Höhe schießt, sollte man es hier oben besser vermeiden aus der Puste zu geraten. Und so trotteten wir mühselig über Schotterpisten dahin. Es zog und zog sich, während das Laufen immer schwerer wurde. Ich bekam wieder Kopfschmerzen, mir wurde richtig unwohl und irgendwann kam auch noch leichter Schwindel dazu. Deutliche Symptome der Höhenkrankheit. Aber wir waren dem Pass schon so nahe, dass Umkehren keinen wirklichen Sinn machen würde. Der Aufstieg wurde zur absoluten Qual und ich hoffte einfach nur noch darauf, dass wir es bald schaffen würden. Hinter uns lief ein Pärchen, dem es offenbar recht ähnlich ging. Gerade als die Beiden noch eine Pause einlegten und wir sie abhängten, kamen wir um eine Kurve und konnten vor uns die ersten Gebetsfahnen erkennen. Wir folgten dem Weg weiter um die Kurve herum, bis vor uns ein riesiger Berg an Gebetsfahnen erschien, in deren Mitte das Schild stand, das uns für unseren Erfolg gratulierte. Uns ergriff ein absolut unglaubliches Glücksgefühl, als mit einem Mal die ganze Last von uns fiel, die wir in den letzten Tagen und Stunden mit uns herum getragen hatten. Wir hatten es geschafft. Wir standen auf 5.416 m.

Thorung La Pass, 5.416 m
Die letzten Meter zum Thorung La

Und wer hätte es gedacht: Auf dem Pass stand ein kleines Teehaus. Irgendeine arme Sau quält sich jeden Tag in aller Herrgottsfrühe hier hoch (zumindest in der Hauptsaison), nur um hunderten von Trekkern den wahrscheinlich teuersten Tee in ganz Nepal zu verkaufen. Aber ein heißer Tee war genau das, was wir hier gerade brauchten. Ich hatte meine Handschuhe keine zwei Minuten für ein paar Fotos ausgezogen und konnte meine Finger schon wieder nicht mehr spüren. Es war einfach so irre kalt, dass es mich ununterbrochen am ganzen Körper schüttelte. Und dann ging ich in das kleine Teehäuschen und sah vor mir einen Australier in kurzen Shorts…

Wir beeilten uns mit dem Tee, denn weder die Kälte noch die Kopfschmerzen machten den Aufenthalt auf dem Pass sonderlich angenehm. Wir wollten so schnell wie möglich mit dem Abstieg beginnen. Und anders als man vielleicht erwarten möge, gibt es auf dem Pass auch keine Aussicht. Man steht ja nicht auf einer Bergspitze oder einem Bergkamm oder irgendetwas Ähnlichem. Man ist immer noch umgeben von Bergen, die deutlich höher sind und die einem gerade auf dem Pass jede Sicht verbauen. Obwohl man sich so lange hier hoch arbeitet, gibt es eigentlich keinen wirklichen Grund, lange hier oben zu bleiben. Das klingt vielleicht etwas paradox, aber auch wenn die meisten Trekker den Annapurna Circuit wegen dem Thorung La Pass machen, ist der Weg zum Pass letztendlich das Schönste an diesem Trek. Für uns ist es daher auch völlig unverständlich, wieso so viele Leute mit dem Jeep bis nach Manang fahren und erst dort das Wandern anfangen.

Als wir gegen 10 Uhr mit dem Abstieg auf der anderen Seite beginnen wollten, erreichte eine kleine Gruppe von Leuten den Pass. Darunter waren auch der ältere Däne und sein 14-jähriger Sohn, die wir am zweiten Tag unserer Wanderung kennengelernt hatten. Der Sohn sah jetzt nicht mehr so gelangweilt aus und sah den Vater-Sohn-Urlaub inzwischen offenbar mit anderen Augen. Wir gratulierten ihnen zu ihrem Erfolg und machten uns auf den Weg. Wir hatten heute noch einen langen Abstieg vor uns. Knapp 1.660 Hm waren in den nächsten 3-4 Stunden zu meistern.

Nach dem Pass ging es zunächst erstmal nur leicht bergab. Wir umwanderten noch eine Kurve und kamen dann zu einem Plateau, von dem aus wir hinab auf das Kali-Gandaki-Tal schauen konnten, welches uns die nächsten Tage begleiten würde. Wir hatten eine völlig neue, bisher noch unbekannte Landschaft betreten. Das Kali-Gandaki-Tal gehört zum Distrikt Mustang, in dem auch das früher unabhängige Königreich Mustang liegt. In Mustang herrscht ziemlich trockenes Klima, da die hohen Berge den Regen von der Region fernhalten. Dadurch ist die Landschaft extrem kahl und sandig. Was wir hier vor uns sahen, glich einer Wüste im Gebirge. Dieses Bild war äußerst merkwürdig und erstaunlich zugleich. Aber was wir auch sehen konnten war der steile Hang vor unseren Füßen. Dieser Hang ist der Grund dafür, dass man den Thorung  La Pass von Ost nach West überquert und nicht umgekehrt. Er ist bergab schon die Hölle, bergauf wäre er bei der geringen Akklimatisierung überhaupt nicht machbar. Selbst mit Trekkingstöcken schmerzten die Knie schon nach kürzester Zeit. Irgendwann kamen dann noch Blasen an den Zehen hinzu, denn die Füße stießen permanent vorne an die Schuhspitzen. Die Knöchel und die Waden fingen an zu brennen, weil wir bei jedem Schritt abbremsen mussten. Wir mussten uns ununterbrochen konzentrieren, um nicht abzurutschen und so packte uns bald auch die Müdigkeit. Nach etwa anderthalb bis zwei Stunden kamen wir zu einem weiteren Plateau, auf dem einige sehr einfache Restaurants aneinander gereiht waren. Schön war es hier nicht, aber meine Beine zitterten schon und ich brauchte dringend eine Pause. Wir blieben ziemlich lange sitzen und wären am liebsten an Ort und Stelle eingeschlafen. Aber irgendwann rafften wir uns wieder auf und zwangen uns dazu, auch noch die letzte Stunde durchzuhalten. Es ging weiter steil den Berg hinunter, bis wir dann irgendwann zu einem großen Tempelkomplex kamen, der zu Muktinath gehört. Von hier aus war es also gar nicht mehr weit. Viel Zeit zum Bestaunen des Tempelkomplexes blieb uns allerdings nicht, denn auf der ganzen Passüberquerung gibt es nicht eine Toilette und meine Blase schien zu spüren, dass wir bald ankommen würden. Wir beschleunigten unsere Schritte noch etwas und liefen dann in Muktinath schnurstracks zu einer sehr beliebten Lodge, von der ich zuvor schon gehört hatte. Es war gerade einmal 14.30 Uhr, als wir endlich in der Unterkunft ankamen und trotzdem waren schon fast alle Zimmer vergeben. Als uns einer der Jungs von der Lodge (Hotel Marley) unser Zimmer zeigte, gab er uns noch den Tipp, so schnell wie möglich duschen zu gehen, denn es gab nur zwei Duschen auf wirklich viele Zimmer. Scheinbar gönnten sich alle anderen Ankömmlinge erstmal ein Bier zur Feier des Tages und so waren die Duschen noch warm. Die Gelegenheit nutzten wir natürlich schnell aus und wurden mit der schönsten, wärmsten Dusche auf dem ganzen Trek belohnt. Danach bestellten wir uns ein umfangreiches Abendessen und setzten uns noch für ein paar Minuten an eine Feuerstelle, damit meine Haare vorm Schlafen noch trocknen konnten. Zum Feiern waren wir ohnehin viel zu müde.