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Etappe 9: Yak Kharka – Thorung Phedi Base Camp (4.520 m), 4.15 m

Unsere erste Nacht auf über 4.000 m Höhe verlief überraschend angenehm. Keine Probleme beim Schlafen, keine Kopfschmerzen oder sonst irgendwelche Symptome der Höhenkrankheit. Es konnte also bedenkenlos weitergehen. Heute war der letzte Tag vor der Passüberquerung. Das Ziel: Thorung Phedi Base Camp. Schlafen auf 4.520 m. Es gibt nach dem Basecamp noch genau eine weitere Unterkunft, das High Camp auf ca. 4.900 m. Viele Leute schlafen hier, weil der Weg vom Base Camp zum High Camp der steilste Part der Passüberquerung ist und man vom Base Camp verdammt früh aufbrechen muss. Das wollen viele umgehen, indem sie einfach das Base Camp überspringen und direkt zum High Camp aufsteigen. Davon wird aber dringend abgeraten. Einerseits schon allein deswegen, weil das Maximum von 500 m Aufstieg deutlich überschritten wird. Andererseits aber auch, weil das High Camp viel zu hoch gelegen ist, um dort überhaupt schlafen zu können. Das mag kein Problem sein, wenn man sich vorher lange genug akklimatisiert hat, z.B. indem man den Umweg über den Tilicho Lake gegangen ist. Die meisten Trekker auf dem Annapurna Circuit sind aber nicht gut genug akklimatisiert, um auf fast 5.000 m schlafen zu können. Wir haben gehört, dass viele Leute im High Camp die ganze Nacht kein Auge zu machen. Scheinbar bekommen dort auch extrem viele Trekker die Höhenkrankheit oder Panikattacken, sodass sie mitten in der Nacht zum Base Camp absteigen müssen. Uns erschien es daher wesentlich sinnvoller, die Nacht im Base Camp zu verbringen, auch wenn der nächste Tag dadurch extrem lang werden würde. Lieber um 4 Uhr aufstehen als überhaupt nicht zu schlafen und sich die ganze Nacht fertig zu machen.

Da wir so schnell wie möglich die blöde Lodge in Yak Kharka verlassen wollten, beeilten wir uns beim Frühstück und beim Packen dieses Mal ganz besonders. Gegen 8.30 Uhr brachen wir dann auf. Der Gartenschlauch am Wegrand war zugefroren, weswegen wir unsere Flaschen heute mal an einer der Safe Drinking Water Stations auffüllen mussten. Die Safe Drinking Water Stations sind große Kanister mit gefiltertem Wasser, die man in einigen Orten findet und wo man sich für 1-2 Euro pro Liter Trinkwasser abfüllen kann. Die Strecke von Yak Kharka zum Base Camp ist recht kurz und größtenteils auch ziemlich einfach. Die Entfernung beträgt etwa 7 km und bietet daher Gelegenheit für viele Pausen. Die braucht man auf der Höhe auch, wie wir bei unserem Ausflug zum Ice Lake ja schon erfahren mussten. Durch karge Felslandschaft, über Bergsteppen hinweg und vorbei an Yak-Herden kämpften wir uns langsam, aber stetig immer weiter nach oben. Ab und zu hielten wir an, um andere Trekker an uns vorbeiziehen zu lassen und dann in Ruhe weiterzulaufen. Man merkte schon, dass sich die Leute hier oben nicht mehr so gut verteilen wie bisher. Zum Einen gab es ja nur noch den einen Weg. Zum Anderen mussten aber auch alle in den gleichen Dörfern übernachten und morgens in etwa zur gleichen Zeit loslaufen, was bisher ja nicht unbedingt der Fall war.

Yak

Nach gut einer Stunde erreichten wir Ledar, eine weitere Ansammlung von Lodges und kleinen Teehäusern. Da uns zu diesem Zeitpunkt schon eine ganze Weile eine Wandergruppe im Nacken hing, die wir auch durch kurze Stopps nicht losgeworden sind, gönnten wir uns in einem der Teehäuser ein zweites Frühstück. Es gab leckere Pancakes – für Fab einen Apfelpancake und für mich einen Normalen –, was uns nach den weniger guten Mahlzeiten in Yak Kharka durchaus gelegen kam. Ab Ledar waren wir dann wieder relativ allein unterwegs. Wahrscheinlich waren wir mal wieder die Letzten. Hin und wieder überholten wir mal ein paar Leute, aber in der nächsten Pause zogen sie dann wieder an uns vorbei. Wir versuchten, bewusst langsam zu laufen und uns viel Zeit zu nehmen, damit sich unsere Körper an die Höhe gewöhnen konnten. Wir zwängten uns literweise Wasser rein und griffen irgendwann sogar zu einer wirklich ekelhaften Elektrolytlösung.

Yak Herde auf einer Bergsteppe

Ungefähr eine weitere Stunde hinter Ledar mussten wir einen Hang steil im Zick-Zack hinuntersteigen, um dann unten auf einem kleinen Holzsteg einen Fluss zu überqueren und auf der anderen Seite steil im Zick-Zack wieder hinaufzusteigen. In ca. 15 Minuten ging es 100 Höhenmeter nach oben, was auf fast 4.500 m Höhe nicht zu unterschätzen ist. Während wir nach der Flussüberquerung den Hang wieder hinauf kraxelten, überholte uns plötzlich eine Herde vollbepackter Esel. Ihnen schien die Höhe nichts auszumachen. Immerhin war irgendjemand so nett, am oberen Ende des Hangs ein einzelnes Teehaus aufzustellen, sodass man sich dort gemütlich von der Anstrengung erholen kann. Uns war aber nicht nach Pause zumute. Uns war nach Fertigwerden. Der Rest der Strecke bis zum Base Camp war wieder einigermaßen eben, wenngleich auch trotzdem ziemlich anspruchsvoll. Da es nämlich auf dem Streckenabschnitt immer mal wieder Erdrutsche gibt, ist der Weg an einigen Stellen nicht gut befestigt und es herrscht Steinschlaggefahr. Etwa eine halbe Stunde braucht man, um diese Landslide-Area zu durchqueren, während man ständig misstrauisch auf den Steinhang neben sich schaut und die Ohren spitzt, um sofort reagieren zu können. Fab wollte zwischendrin eine Pause machen, aber ich fühlte mich an diesem Ort so unwohl, dass ich ihn schnell weitertrieb. Leider bekam er durch das schnelle Laufen Kopfschmerzen. Aber immerhin befand sich direkt hinter der Landslide-Area schon das Thorung Phedi Base Camp.

Landslide Area auf dem Weg zum Base Camp

In Thorung Phedi gibt es schon nur noch zwei Lodges, die dafür aber entsprechend groß sind. Wir gingen zur ersten Lodge, der Größeren von beiden. Wie schon in Yak Kharka war auch hier genau noch das teurere Zimmer mit der eigenen Toilette frei. Scheinbar war von den Trekkern keiner bereit, für solchen Luxus extra Geld zu bezahlen. Sehr zu unserer Freude, denn bei -20 °C wollten wir nachts nicht erst noch durch den halben Hof rennen. Fließendes Wasser gab es hier oben keines mehr. Dafür stand im Hof ein großer Kanister, aus dem man sich Wasser ablassen konnte.

Thorung Phedi Base Camp

Als wir unser Zimmer bezogen hatten, war es gerade mal 13 Uhr. Trotzdem war der Dining Room schon recht gut besucht. Wir suchten uns noch einen freien Tisch und bestellten haufenweise Essen. Die Preise sind mit der Höhe deutlich gestiegen, was aber natürlich verständlich ist – schließlich muss das Zeug ja auch irgendwie hierher gebracht werden. Das hielt uns aber nicht davon ab, uns die Bäuche ordentlich vollzuschlagen. Und mal ehrlich: Auf über 4.500 m einen fetten Burger für 6,- EUR serviert zu bekommen, ist ja wohl immer noch ein Witz. Die Einheimischen haben übrigens ein ganz spezielles Wundermittel gegen die Höhenkrankheit. Kräftige Knoblauchsuppe. Ob’s wirklich hilft weiß der Geier, aber die Knoblauchsuppe der Nepalesen ist wirklich unfassbar lecker, also warum nicht einfach probieren. In den letzten Tagen hatte sich die Knoblauchsuppe jedenfalls schon fest in meinem Speiseplan verankert und bisher wurde ich von der Höhenkrankheit weitestgehend verschont. Zufall?

Je mehr die Zeit voran schritt, desto voller wurde auch der Gemeinschaftsraum. Es lag eine starke Anspannung in der Luft und man merkte, wie die Trekker langsam die Aufregung packte. Wir blieben noch eine Weile sitzen, schauten auf unsere Handys. Erstaunlicherweise gab es auch hier noch immer WLAN, wenn auch ziemlich Schlechtes. Das Internet wird hier über Satellit bezogen und ist daher stark vom Wetter abhängig. Sobald Wolken aufziehen, wird die Verbindung schlechter. Aber es reicht zumindest für das Nötigste. Auf diese Weise schlugen wir uns noch etwas die Zeit tot, damit wir nicht zu zeitig ins Bett gehen. Aber da wir dieses Mal mitten in der Nacht wieder aufstehen mussten, gingen wir heute schon um 16 Uhr ins Bett.

Thorung Phedi Base Camp

Etappe 8: Braga – Yak Kharka (4.020 m), 5 h

Fab und ich waren uns erst nicht sicher, ob wir heute schon weiter laufen oder lieber noch eine Nacht in Braga bleiben wollten. Es gab noch Einiges zu sehen in der Gegend, zum Beispiel eine Höhle oder ein großes Kloster kurz vor Braga, welches schon von außen total faszinierend aussah. Aber irgendwie kam langsam diese Unruhe, fast schon Nervosität auf, weil wir dem Pass bereits so nahe waren und die Aufregung langsam stieg. Fab wollte es endlich hinter sich bringen und das konnte ich gut verstehen. Beim Frühstück fassten wir deswegen den Entschluss, uns heute auf den Weg nach Yak Kharka zu machen. Das bedeutete allerdings auch, dass wir heute die richtigen Bergdörfer hinter uns lassen und in Höhen aufsteigen würden, wo außer in den vereinzelten Lodges noch nicht einmal mehr die Einheimischen leben. Heute würden wir das erste Mal auf über 4.000 m Höhe schlafen. Ab heute wurde es ernst.

Bevor wir unsere Sachen packten, huschten wir noch einmal unter die heiße Dusche und wuschen unsere Haare. Schließlich konnte man ja nicht wissen, wann wir das nächste Mal warmes – oder überhaupt fließendes – Wasser bekommen würden. Danach verabschiedeten wir uns schweren Herzens von Linda und Thomas. Thomas ging es leider gar nicht gut. In der Nacht hatte er teilweise mit Atemnot zu kämpfen und beim Frühstück brannte ihm Lunge. Keiner wusste, ob es an der Höhe lag oder er sich eine Infektion eingefangen hatte. Weiter aufsteigen kam für ihn jedenfalls erstmal nicht in Frage. Wir mussten also alleine weiter. Immerhin waren meine Kopfschmerzen über Nacht völlig abgeklungen, sodass wir bedenkenlos die nächste Etappe in Angriff nehmen konnten.

Bis nach Manang verlief der Weg ganz entspannt am Fluss entlang über die Jeep-Piste. Die Piste endete jedoch am Ortseingang von Manang endgültig. Ein weiteres Zeichen dafür, dass wir die besiedelten Gegenden auf dieser Seite des Passes nun verlassen würden. Wir liefen durch Manang, vorbei an all den Lodges, Bäckereien und kleinen Läden. In zwei der Bäckereien machten wir einen kurzen Stopp, um uns noch etwas zu stärken und Marschverpflegung einzukaufen. Im Ortszentrum mussten wir bei einem ACAP Check-Post noch einmal unsere Permits vorzeigen. Neben dem Check-Post stand eine hübsche Chörte mit Gebetsmühlen, von der aus man einen ziemlich guten Ausblick auf den Gangapurna-Gletscher hat.

Manang
Gebetsmühlen in Manang

Wir verließen den Ort durch enge Gassen und folgten dann dem Wanderweg vorbei an einigen Feldern. Da wir erst gegen 10.30 Uhr in Braga aufgebrochen waren und anschließend in Manang noch recht viel Zeit verplempert hatten, war es mal wieder viel zu spät. Das Problem ist nämlich, dass es auf diesen Höhen ab dem Mittag sehr, sehr windig wird und auch wir es mit starken Windböen zu tun bekamen, nachdem wir Manang verlassen hatten. Auch waren inzwischen wieder einige Wolken in die Bergspitzen gezogen, wodurch es mitunter richtig kalt wurde. Das Laufen wurde dadurch ziemlich ungemütlich. Dafür hatten wir unterwegs einen schönen Blick auf das Tal und auf das hinter uns liegende Manang.

Blick zurück auf das Manang-Tal

Nach etwa zwei weiteren Stunden kamen wir nach Gunsang, wo eine Lodge mit einer kleinen Dachterrasse stand. Wir fragten die Besitzerin, ob wir mal hinauf gehen dürften und glücklicherweise ließ sie uns auch. Von der Dachterrasse hatte man eine tolle Aussicht auf die Annapurna II, IV und III sowie den Gangapurna.

Ausblick von Gunsang

Das Manang-Tal hatten wir inzwischen verlassen, um weiter Richtung Norden und tiefer in die Berge zu gelangen. Es war bereits hinter einem Berghang verschwunden und kaum noch zu sehen. Von nun an gab es nur noch alpines Gelände. Trotzdem war der weitere Weg von Gunsang aus eher eben und anspruchslos. Je mehr wir Richtung Norden kamen und uns vom Manang-Tal entfernten, desto weniger war allerdings auch von den Annapurnas zu sehen, die hinter uns im Süden lagen und langsam hinter anderen Bergen verschwanden. Ab und zu blitzte mal noch eine schneebedeckte Eiswand hervor, aber so nach und nach kamen wir immer tiefer in das Gebirge und außer den Bergen direkt neben uns war kaum noch etwas anderes zu sehen. Auf einer flachen Ebene sammelten eine alte nepalesische Dame und zwei europäisch aussehende Ausländer den getrockneten Dung von Yaks ein. Den Dung benutzen die Einheimischen hier vor allem zum Befeuern ihrer Öfen. Trotzdem ist es irgendwie komisch zu sehen, wie das Zeug mit bloßen Händen eingesammelt wird.

Danach dauerte es gar nicht mehr so lange, da erreichten wir auch schon Yak Kharka. Der Ort besteht nur aus vier Lodges, mehr gibt es hier nicht. Es war so circa 15.30 Uhr und bereits ziemlich dunkel. Wir konnten schon von außen erkennen, dass die Lodges recht gut besucht waren und vermutlich nicht mehr allzu viele Trekker nach uns kommen würden. Wir suchten uns die größte Lodge heraus und ließen uns ein Zimmer zeigen. Die Unterkünfte waren hier oben deutlich einfacher und rustikaler als bisher, aber immerhin war noch eines der wenigen Zimmer mit eigener Toilette für uns übrig. Fließendes Wasser gab es hier schon nur noch in Form eines dünnen Schlauchs, der neben der Lodge am Wegrand auf der Wiese lag und aus dem es ganz leicht tröpfelte. Aber das Wasser war so irre kalt, dass man es ohnehin nur im äußersten Notfall nutzen wollte. Nach unserer Ankunft hatten wir uns nur kurz die Hände waschen wollen, aber ein paar Sekunden unter dem Wasser hatten gereicht, damit wir unsere Finger bereits nicht mehr spüren konnten.

Yak Kharka

In unserer Lodge gab es einen kleinen Gemeinschaftsraum mit einem Holzofen, der vollgepackt mit (überwiegend jungen) Wanderern war (der Raum, nicht der Ofen). Trotzdem hörte man kaum einen Mucks. Die meisten starrten auf ihre Handys (erstaunlicherweise gab es hier nämlich tatsächlich WLAN), andere lasen oder schrieben Tagebuch. Alle sahen völlig erschöpft aus und wollten einfach nur noch ihre Ruhe haben. Gefallen hat es uns in der Lodge überhaupt nicht. Die Besitzer waren absolut unfreundlich und hatten sichtbar überhaupt keinen Bock. Wenn man sie ansprach, reagierten sie entweder überhaupt nicht oder schnauzten einen nur an. Das Essen war nicht sonderlich lecker und rumorte selbst am nächsten Tag noch in unseren Mägen. Wir gingen deswegen mal wieder direkt nach dem Essen ins Bett und gönnten uns einen langen Schlaf.