Akklimatisierung am Ice Lake (4.635 m), 8.15 h

Nach dem irre anstrengenden Aufstieg von Pisang nach Ghyaru vor zwei Tagen wollten wir eigentlich gar nicht wissen, wie sich der angeblich anstrengendste Teil des ganzen Annapurna Circuits anfühlt. Trotzdem wollten wir den etwa vierstündigen Aufstieg zum Ice Lake unbedingt in Angriff nehmen. Allein schon wegen der grandiosen Aussicht, die man von da oben haben soll. Vor allem aber auch, weil der Ice Lake auf über 4.600 m liegt und dieser Tagesausflug unsere Körper perfekt auf das Kommende vorbereiten würde. Dennoch: Der Höhenunterschied zwischen Braga und dem Ice Lake beträgt fast 1.170 m und das muss man bei der dünnen Luft auch erstmal in vier Stunden schaffen.

Damit wir nicht abends im Dunkeln den Berg hinuntersteigen müssen, war heute mal wieder zeitig Aufstehen angesagt. Wir trafen uns mit Linda und Thomas zum Frühstück und starteten dann gemeinsam um 8 Uhr unseren Ausflug. Zunächst durchquerten wir den eigentlichen Ort Braga. Braga besteht nämlich so gesehen aus zwei Teilen: dem alten Ortskern und den Lodges daneben an der Jeep-Piste. Braga liegt genau vor dem Berg, den wir heute hinaufklettern wollten. Hinter dem Ort ging es also direkt mit dem Aufstieg los. Wir konnten bereits weiter oben ein Plateau erkennen, welches laut Karte auf halben Weg zum See liegen sollte. Sah eigentlich gar nicht so schlimm aus, wie wir uns das vorgestellt hatten. Wir kamen gut voran und gewannen schnell an Höhe. Braga wurde unter uns immer kleiner und der Ausblick auf das Manang-Tal immer besser.

Manang-Tal mit Braga vorne und Manang hinten am Fluss; im Hintergrund ist die Grand Barriere mit der schneebedeckten Tilicho Peak (7.134 m)

Nach nur einer halben Stunde waren wir dem Plateau schon so nahe, dass wir für die Strecke bis zum See wohl kaum die kompletten vier Stunden benötigen würden. Der Weg war steil und sehr steinig. Wieder mussten wir aller paar Minuten anhalten und durchatmen. Der Sauerstoffmangel machte sich inzwischen deutlich bemerkbar und das Laufen fiel uns mit jedem Schritt schwerer. Als wir dann am Plateau ankamen, wurde der Blick auf ein zweites, weit über uns liegendes Plateau frei. Erschreckend wurde uns klar, dass wir längst noch nicht dort waren, wo wir eigentlich zu sein dachten. Stattdessen waren wir sogar noch so weit davon entfernt, dass ich plötzlich jeden Willen zum Laufen verloren hatte. Wirklich, von der einen Sekunde auf die Andere ist mir die Lust sowas von vergangen, dass ich am liebsten einfach umgedreht wäre. Aber natürlich quälte ich mich weiter den Berg hinauf bis zum nächsten Plateau auf ca. 4.000 m Höhe. Halbzeit. Auf dem Plateau stand ein keines Steinhaus, das offenbar noch recht neu war. Weder unser Wanderführer, noch die Karten von Linda und Thomas schienen dieses kleine Häuschen zu kennen. Mit einer Steinmauer war eine kleine Terrasse abgegrenzt, auf der ein einzelner Tisch stand. Diesen verließen gerade ein paar Wanderer, sodass wir ihren Platz einnehmen konnten. Wir bestellten uns eine Kanne Tee und gönnten uns eine wohlverdiente Pause. Überall auf dem Plateau wehten bunte Gebetsfahnen in der Sonne. Der Himmel war strahlend blau und die Aussicht von hier oben ohne jeden Zweifel die mit Abstand Beste auf diesem ganzen Trip. Wir konnten von hier aus nicht nur die Annapurna II (7.937 m) sehen, sondern auch die Annapurna IV (7.525 m), den Gangapurna (7.455 m), den Glacier Dome (7.202 m) und die Grande Barriere mit der Tilicho Peak (7.134 m). Sogar die Landslide Area auf dem Weg zum Tilicho Lake war von hier aus deutlich zu erkennenn. Wir konnten gar nicht aufhören, auf die massiven Bergriesen zu starren und unzählige Fotos zu machen. Es war einfach traumhaft schön.

Teehaus auf ca. 4.000 m

Trotzdem mussten wir schon bald weiter. Der Aufstieg war so anstrengend, dass er uns nicht nur den Atem raubte, sondern auch die Nerven stark strapazierte. Immer wieder glaubten wir, es fast geschafft zu haben. Immer wieder konnten wir in der Ferne ein Plateau erkennen, von dem wir hofften, dass es das Ende unseres Aufstiegs bedeutet. Und immer wieder wurden wir enttäuscht. Jedes Mal, wenn wir endlich eines der Plateaus erreichten, wurde ein weiterer Hang mit einem weiteren Plateau sichtbar. Und so quälten wir uns weitere zwei Stunden den Berg hinauf. Bis wir dann endlich auf eine große Ebene kamen, auf der ein Weg nahezu ausschließlich geradeaus bis zum Ice Lake führte. Vor dem Ice Lake stand eine kleine Stupa, an der ein ausgetrampelter Pfad vorbeiging. Dieser Pfad brachte uns an das gegenüberliegende Ufer des Sees, von wo aus man einen hervorragenden Blick auf den See und die Bergkette im Hintergrund hat. Es stimmt durchaus, was wir über diesen Ort gelesen haben: Der See selbst ist nichts Besonderes, aber die Aussicht auf dem Weg hierher ist einfach so unfassbar überwältigend, dass sie einem teilweise schon Gänsehaut über den Körper treibt. Vor allem weil man immer das Wissen im Kopf hat, wie unglaublich groß diese Berge sind, vor denen man da gerade steht.

Ice Lake (4.635 m)

Lange wollten wir hier oben eigentlich auch gar nicht bleiben. Es war bereits ca. 12.30 Uhr und für den Abstieg planten wir etwa 3 Stunden ein. Da wir uns vorgenommen hatten, gegen 16 Uhr wieder in unserer Lodge zu sein, blieb uns ohnehin nicht allzu viel Zeit. Hinzu kam aber auch, dass ich mittlerweile ziemlich starke Kopfschmerzen bekommen hatte und schon allein deswegen so schnell wie möglich wieder in niedrigere Gefilde absteigen wollte. Wir setzten uns in die Wiese, naschten unsere mitgebrachten Snacks und machten ein paar Fotos von diesem herrlichen Panorama. Dabei verging die Zeit viel schneller als gedacht. Irgendwie waren wir dann letztlich doch weit mehr als eine Stunde hier oben am Ice Lake, bevor wir dann endlich wieder aufbrachen. Inzwischen war zu meinen Kopfschmerzen auch noch Übelkeit hinzu gekommen und ich wollte keine Minute länger auf dieser Höhe bleiben. Wir marschierten zügig wieder über die Ebene zurück zum Hang, an dem wir uns dann den steilen Weg hinunter arbeiteten. Zwischendurch machten wir nochmal eine kurze Pause, weil Fab unbedingt von einem ganz bestimmten Punkt das Panorama fotografieren wollte. Und dann liefen wir ohne weitere Pause so schnell wir konnten zurück nach Braga. Tatsächlich kamen wir sogar kurz nach 16 Uhr wieder in unserer Lodge an, wo wir direkt unser Essen bestellten. Meine Kopfschmerzen waren noch immer so stark wie zuvor und ich war so hundemüde, dass ich sofort hätte einschlafen können. Obwohl mein Magen total knurrte, war ich viel zu fertig, um meinen ganzen Gemüseburger aufzuessen. Ich überließ ihn Fab, schnappte meine Sachen und ging in Bett, wo ich direkt einschlief.

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