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Etappe 2: Jagat – Dharapani (1.900 m), 8 h

Der zweite Tag war genauso anstrengend wie der Erste. Trotzdem verlief er deutlich entspannter. Nach dem gestrigen Tag waren wir uns nämlich einig, dass wir ab sofort lieber Etappen kürzen würden, als uns ohne Pausen durch die super schönen Landschaften zu hetzen. Wir hatten genügend Zeit in Nepal eingeplant und überhaupt keinen Grund uns so sehr zu beeilen. Das sollte natürlich nicht heißen, dass wir nicht dennoch jeden Morgen zeitig aufstehen und so viel Strecke wie möglich schaffen wollten. Aber wir wollten die Wanderung auch genießen und unseren Körpern zwischendurch etwas Ruhe gönnen. Außerdem fiel uns das zeitige Aufstehen überhaupt nicht schwer. Durch die große Anstrengung tagsüber ist man nach dem Abendessen ohnehin hundemüde, sodass wir an den meisten Tagen schon zwischen 18 und 20 Uhr ins Bett gegangen sind. Dementsprechend zeitig waren wir dann natürlich auch immer schon wach. Und die Vorfreude auf das Kommende trägt dann noch sein Übriges bei.

Nachdem also wieder um 6 Uhr unser Wecker geklingelt hatte, unsere Sachen gepackt waren und wir den schlechtesten Bananen-Porridge überhaupt gegessen hatten, ging es gegen 8 Uhr weiter mit dem Wandern. Die Etappe begann zunächst auf der Jeep-Piste, aber schon bald folgten wir einer Abzweigung nach links in den Wald, wo es erst einmal ordentlich bergauf ging. Die Temperaturen waren immer noch recht hoch und der Weg durch den Wald war gesäumt von riesigen Bananenbäumen. Wir hätten genauso gut auch im Dschungel sein können. Als wir dann schweißnass oben ankamen, fanden wir uns vor einem kleinen, steinigen Fußballplatz wieder. Davor am Drahtzaun standen drei Männer, die vergeblich nach einem Wanderweg suchten. Aber es gab keinen. Wir stiegen deshalb kurzerhand durch ein Loch im Drahtzaun und überquerten den Sportplatz. Den vielen Fußspuren nach zu schließen waren hier bereits einige Wanderer entlanggekommen – so falsch konnten wir also gar nicht sein. Am Ende des Sportplatzes zeigte uns dann eine rot-weiße Markierung, dass wir tatsächlich auf dem richtigen Weg waren. Die nächsten Meter verbrachten wir damit, uns mit einem der drei Herren zu unterhalten, die wir am Sportplatz getroffen hatten. Ein Däne, der mit seinem 14-jährigen Sohn mal einen richtigen Männerurlaub machen wollte. Sein Sohn sah zwar nicht ganz so glücklich aus, aber auch er schien den Ausflug eigentlich ganz cool zu finden. Unsere Wege trennten sich kurze Zeit später in einem kleinen Dorf, als wir eine kleine Pause einlegten, um frisches Wasser zu filtern und einen kleinen Snack zu uns zu nehmen. Nach dem Dorf führte uns dann eine Hängebrücke wieder auf die andere Flussseite, wo wir entlang des Flusses immer weiter in das Tal hinein wanderten. Dabei schlängelte sich unser Weg immer weiter die Berge hinauf. An manchen Stellen trennte uns vom Fluss, der inzwischen tief unter uns lag, nur noch eine steile Felswand. Aber die Aussicht war einfach nur gigantisch.

Eine ganze Weile später fanden wir uns vor einem steilen Hang wieder, an dem im Zick-Zack unser Weg nach oben führte. Am oberen Ende konnten wir bereits eine kleine Aussichtsplattform erkennen, auf der einige Leute zu sehen waren. Der Aufstieg war hart, aber immerhin sehr kurz. Und zu unserer Freude gab es auf dem Plateau eine kleine Hütte, in der man Snacks und Getränke kaufen konnte – eine Sprite kam uns jetzt genau gelegen! Leider verriet uns ein Blick in unseren Wanderführer, dass wir uns direkt vor einem Steilanstieg befanden. Fast 100 Höhenmeter hatten wir in den nächsten 20 Minuten zu meistern. Aber die Anstrengung wurde belohnt. Und zwar mit dem wunderschönen Örtchen Tal.

Tal befindet sich direkt am Flussufer auf einer großen, weißen Sandbank und ist umgeben von hohen Bergen. Es ist nur zu verlockend, die Schuhe auszuziehen und die Füße in den eisblauen Fluss zu halten. Aber uns war klar, dass das Wasser dafür viel zu kalt sein würde. Stattdessen entschieden wir uns für eine Mittagspause in einer der vielen hübschen Lodges. Wir fanden schnell ein gemütliches Plätzchen und teilten uns einen Tisch mit ein paar Mädels aus aller Welt. Es dauerte nicht lange, da tauchte auch der Australier auf, den wir in Bhulbhule kennengelernt hatten. Sein Name ist Cian, gesprochen wie der Pfeffer. Er lebt in Brisbane und wollte nach der Abgabe seiner Masterarbeit ein paar Wochen Auszeit genießen. Der Annapurna Circuit war eine ganz spontane Idee von ihm gewesen und dementsprechend schlecht war er auch vorbereitet. Schon sein Rucksack sah furchtbar unangenehm aus; viel zu groß, viel zu schief und viel zu viel Zeug, das außendran herum baumelte. Er selbst empfand seinen Rucksack schon am zweiten Tag als eine große Qual, aber unterwegs kann man da halt leider nicht mehr viel dran ändern.

Und so saßen wir da, unterhielten uns mit den Leuten und warteten eine gefühlte Ewigkeit auf unser Dal Bhat und die Momos. Die Sonne wanderte langsam hinter einen Berg und hin und wieder zog ein frisches Windchen durch das Tal, sodass es teilweise schon recht kühl wurde. Wir hatten das subtropische Klima hinter uns gelassen. Als dann nach über einer Stunde endlich unser Essen kam, war es schon wieder viel zu spät. Die Mädels waren schon aufgebrochen und nur noch Cian saß mit uns am Tisch. Wir mampften schnell alles in uns rein, verabschiedeten uns von Cian und machten uns auf den Weg. Es war bereits 14 Uhr und wir hatten noch gute zwei Stunden vor uns. Am liebsten wären wir einfach für eine Nacht hier geblieben, aber letztendlich war es uns doch noch etwas zu früh, um die Etappe hier abzubrechen. Tal ist wirklich ein schöner Ort und lädt geradezu zum Übernachten ein. Es gibt hübsche Lodges direkt am Wasser, einen Wasserfall, zu dem man einen Ausflug machen kann und sogar ein Medical Center mit einem Arzt und einer Apotheke.

Tal

Der weitere Weg war wenig spektakulär, was vermutlich vor allem an unserer Müdigkeit und der untergehenden Sonne lag, welche die Landschaft in tristen Schatten versetzte. Wir überquerten einen kleinen Wasserfall, stiegen weiter auf und ab und kamen schließlich zu einer Hängebrücke, die uns wieder auf die andere Seite des Flusses brachte. Von dort aus ging es weiter auf der Jeep-Piste Richtung Norden. Irgendwann kamen wir wieder an eine Hängebrücke, die uns erneut auf die Ostseite des Flusses gebracht hätte, aber inzwischen waren wir so kaputt, dass wir einfach nur noch ankommen wollten. Wir ignorierten daher die Schilder und folgten einfach der Jeep-Piste bis nach Dharapani, unserem heutigen Etappenziel.

Dharapani ist kein sonderlich schöner Ort, aber es gibt zahlreiche Lodges und nur wenige Trekker. Wir machten uns auf die Suche nach einer ansprechenden Unterkunft, aber irgendwie sprang uns nichts Schönes ins Auge. Als wir den Ort einmal komplett durchquert hatten, machten wir daher wieder kehrt und gingen zurück zu einer Lodge am Ortseingang, die von unserem Wanderführer empfohlen wurde. Richtig zufrieden waren wir allerdings nicht. Dann aber sahen wir direkt neben der Lodge eine weitere Unterkunft, auf deren Treppe ein junges Pärchen saß. Das Mädel hatte ihre nassen Haare in ein Handtuch gewickelt, was mich dazu veranlasste, die beiden zu fragen, ob es dort eine warme Dusche gibt. Sie meinte, die Dusche wäre sogar richtig schön heiß und sauber und auch die Zimmer sehr schön. Und damit hatten wir unsere Entscheidung getroffen. Noch während wir uns mit dem Pärchen (Linda und Thomas aus Dänemark) unterhielten, trottete Cian an der Lodge vorbei. Natürlich haben wir ihn direkt zu uns gewunken und zu fünft gehörte uns die komplette Unterkunft.

Nachdem dann auch der Rest von uns noch der Reihe nach duschen war (die Dusche war nur bei mir noch heiß, bei Fab war sie schon nur noch lauwarm und bei Cian eiskalt), suchten wir uns einen großen Tisch im Dining Room und warteten auf unser Essen. Während wir dort saßen und uns unterhielten, wurde es immer kälter und schon nach kurzer Zeit hatte ich meinen wärmsten Pullover und meine dicke Winterjacke an. Ich stopfte meine nassen Haare unter die warme Mütze, wärmte meine Hände am Tee und trotzdem fror ich noch am ganzen Körper. Ich merkte, wie mein Körper langsam schlapp machte und sich in mir eine dicke Grippe ausbreitete. Selbst mein Wunderheilmittel – reines Pfefferminzöl – konnte mir an diesem Punkt nicht mehr helfen. Als wir dann nach einer langen Unterhaltung mit den Anderen gegen 22 Uhr ins Bett gingen, fühlte ich mich schon richtig krank. In der Nacht wachte ich immer wieder auf. Ich wechselte ständig meine Kleidung, weil mir in meinem Schlafsack erst viel zu kalt und dann viel zu warm war. Auf diesen Höhen gibt es in den Unterkünften leider keine Decken, weil man sie hier normalerweise auch nicht braucht und man ja ohnehin einen Schlafsack dabei hat. Am Morgen wachte ich mit höllischen Halsschmerzen und ohne Stimme auf. Verzweifelt überlegten wir, was wir tun sollten. In diesem hässlichen Ort bleiben wollten wir auf keinen Fall, aber auch Weiterlaufen wäre keine gute Idee. Wir überlegten daher, ob wir einen Jeep rufen sollten, der uns zurück nach Tal bringt, wo es uns ja erstens sehr gut gefallen hat, es zweitens ein Medical Center gab und es drittens auch wärmer war.

Etappe 1: Bhulbhule – Jagat (1.300 m), 8 h

Für die ersten Wandertage haben wir uns viel vorgenommen. Über 20 km lang sollte die erste Etappe werden und das trotz Temperaturen um die 30°C und kürzer werdenden Tagen. Die Tage im November sind in Nepal so schon nicht lang, aber erschwerend dazu kommen ja noch die hohen Berge, hinter denen die Sonne noch viel schneller verschwindet als irgendwo sonst. Dadurch wurde es auf dem Circuit schon ab 16 Uhr schnell dunkel. Und dementsprechend war natürlich bei solch langen Etappen früh aufstehen angesagt – zumal man beim Trekking ja auch jeden Morgen sein ganzes Hab und Gut zusammenpacken muss. Außerdem sollte man auch immer bedenken, dass es in einer gut besuchten Unterkunft durchaus recht lange dauern kann, bis man sein Frühstück serviert bekommt. Immerhin wird in Nepal alles ganz frisch zubereitet. Es ist deswegen auch sehr verbreitet, dass man sein Frühstück einfach schon am Abend zuvor für eine bestimmte Uhrzeit vorbestellt. Die Nepalesen haben es zwar generell nicht so mit der deutschen Pünktlichkeit, aber dennoch klappt das mit dem Vorbestellen meistens erstaunlich gut.

Irgendwie denke ich gerne an den Moment zurück, als der Belgier in Bhulbhule am Abend beim Herren des Hauses Frühstück bestellen wollte und ihn fragte, ob es denn auch richtig zeitig ginge, weil die Jungs sehr früh loswandern wollten. Der Herr fragte dann, was denn „richtig zeitig“ heißen soll und der Belgier meinte „Na so gegen 6.30 Uhr“. Der Nepalese fing an zu lachen und sagte, wir könnten gerne auch schon um 4 Uhr frühstücken. Da war der Belgier völlig entsetzt und rief nur „Duuude, it’s our holidays!“.

Nachdem also am Morgen um 6 Uhr unser Wecker geklingelt hatte und die Schlafsäcke und sonstiger Kram wieder sicher im Rucksack verstaut waren, machten wir uns auf zum Frühstück. Dort trafen wir wieder die Jungs vom Abend, was natürlich dazu führte, dass wir uns verquatschten und dann viel zu spät aufbrachen. Und so ging es dann halt erst 8 Uhr los.

In Bhulbhule überquerten wir einen Fluss, der uns noch tagelang begleiten sollte. Die ursprüngliche Wanderstrecke befindet sich links vom Fluss und ist inzwischen eigentlich nur noch eine staubige Jeep-Piste. Wegen des Straßenbaus wurde nun aber rechts vom Fluss eine Alternativroute markiert, für die auch wir uns entschieden haben. Sie ist etwas länger und wohl auch anstrengender, aber dafür wunderschön. Schon kurz nach Bhulbhule konnten wir einen ersten Blick auf schneebedeckte Bergriesen in der Ferne werfen. Aber das sollte vorerst auch der letzte Blick darauf bleiben, denn die Berge verschwanden schnell wieder und waren dann erstmal nicht mehr zu sehen. Stattdessen wanderten wir durch saftig grüne Wiesen und Wälder, kleine Dörfer und Unmengen von Reisterrassen. Überall sah man Nepalesen auf Feldern arbeiten und Kinder auf den Straßen spielen. Immer wieder wurden wir mit einem freundlichen „Namaste“ begrüßt und mit neugierigen Blicken beobachtet. Aber leider kommt es in diesen abgeschiedenen, armen Dörfern auch immer wieder vor, dass man von Kindern belagert wird, die nach Geld oder Süßigkeiten betteln. So leid einem die Kleinen aber manchmal tun, man sollte ihnen nichts von beidem geben. Geld sowieso nicht, das ist überall in Asien so. Gibt man den Kindern Geld, werden sie von ihren Eltern weiter zum Betteln auf die Straße geschickt statt in die Schule. Am Ende hilft man ihnen damit sicher nicht. Aber auch Süßigkeiten sollte man den Kindern dort nicht geben. Da es keine Zahnärzte gibt und die meisten Dorfbewohner sich auch sonst nicht groß um Zahnpflege scheren, schadet man den Kindern mit dem Zucker nur. Im ersten Moment klingt es zwar gar nicht so schwer, den Kindern nichts Süßes zu geben. Aber tatsächlich ist es manchmal gar nicht so leicht. In vielen Momenten denkt man überhaupt nicht daran, dass man sich gleich in eine unangenehme Lage bringen wird. Für uns ist es ja völlig normal, dass man unterwegs mal einen kleinen Snack isst und einfach mal einen Müsliriegel auspackt. Für die Kinder dort aber nicht. Die bleiben alle schlagartig stehen und starren dich an. Man kann die knurrenden Mägen förmlich hören. Und auch wir haben recht schnell dazu gelernt. Wir hatten nämlich aus einer Bäckerei in Kathmandu ein paar Kekse dabei, die schon halb zerkrümelt waren und die wir deswegen in das äußere Netzfach meines Rucksacks gepackt hatten. Es dauerte natürlich nicht lange, da wurden wir von Kindern verfolgt, die ständig nach meinem Rucksack griffen. „Na gut, nur dieses eine Mal“, dachten wir uns. Wir gaben jedem Kind einen Keks und gingen weiter. Kurz danach kam noch ein einzelnes kleines Kind angerannt, das die Keksrunde verpasst hatte und tottraurig war. Wir gaben ihm noch einen und verstauten den Rest gut verdeckt im Rucksack. Dieser Fehler sollte uns nicht nochmal passieren. Wer den Kindern dort etwas Gutes tun möchte, der sollte lieber Spielzeug dabei haben. Ich hab mal was von Luftballons gelesen, aber das halte ich in einem so vermüllten Land wie Nepal für keine gute Idee. Dann vielleicht doch lieber Nüsse.

Bhulbhule

Obwohl wir beim Wandern kaum Fotopausen machten, kamen wir doch nur sehr langsam voran. Wir merkten recht schnell, dass wir die vorgegebene Zeit unseres Wanderführers nicht schaffen würden und wurden etwas unruhig. Schließlich war unsere Etappe so schon recht lang und wir wollten auf keinen Fall im Dunkeln wandern oder die guten Schlafplätze verpassen. Und das hielt uns letztlich auch davon ab, überhaupt Pausen einzulegen. Bei der Hitze und dem langen Aufstieg wurde der Tag dadurch extrem anstrengend. Leider hat es uns Mutter Natur ja auch nicht gerade einfach gemacht. Denn nachdem man sich stundenlang einen Berg hinauf gequält hat, geht es nicht etwa geradeaus weiter, sondern es geht wieder steil bergab. Und zwar nur, damit es – unten angekommen – sofort wieder bergauf gehen kann. Wäre ja sonst auch langweilig.

Reisterrassen

Als wir also endlich den ersten Aufstieg geschafft hatten, fanden wir uns in dem wirklich schönen Ort Bahundanda wieder. Viele Wanderer legen hier eine Mittagspause ein oder übernachten hier. Aber wir waren leider schon zu spät dran und gingen deswegen direkt weiter. Am Ende des Dorfes gibt es einen kleinen Abzweig zu einem Aussichtspunkt, aber wir wollten uns keine Verzögerungen erlauben. Darüber, dass wir an diesem Aussichtspunkt vorbeigelaufen sind, ärgere ich mich heute noch. Nur wenige Meter später begann nämlich der steile Abstieg – mit einer unglaublichen Aussicht auf das Tal. Wir konnten einfach gar nicht anders, als unsere Rucksäcke abzusetzen und den Anblick zu genießen. Wäre da nicht ein alter nepalesischer Opi gewesen, der uns schon seit dem Dorf verfolgt hatte und nun wild gestikulierend hinter uns stand. Er zeigte immer wieder auf sich und machte dann eine Geste, als ob er sich eine Kamera an das Auge hält und ein Foto schießt. Wir waren uns nicht sicher, ob er unsere Kamera haben wollte, um uns zu fotografieren oder ob er selbst fotografiert werden wollte. Sicher war jedenfalls, dass wir unsere Kameras nicht aus den Händen geben würden. Als ich dann ein Foto von ihm machen wollte, verlangte er nach Geld. Gut, dann halt nicht, Opi. Wir blieben einfach noch eine Weile stehen, in der Hoffnung, dass der Herr irgendwann gehen würde. Aber das tat er nicht. Also begannen wir unseren Abstieg. Der Opi folgte uns, aber bereits innerhalb kürzester Zeit hatten wir ihn abgehängt.

Bahundanda

Das ist leider das Problem mit Asien; wir sind durch Vietnam immer noch etwas geschädigt, wo viele der Einheimischen einfach nur unfreundlich waren und permanent versucht haben, uns abzuzocken. Dadurch gehen wir den Einheimischen oftmals einfach aus dem Weg, statt uns auf sie einzulassen. Dadurch entgeht man zwar der ein oder anderen Abzocke – aber man verpasst auch unheimlich viel. Später auf dem Trek wurden uns zum Beispiel von einigen Dorfbewohnern Orangen angeboten, die wir dankend ablehnten und schnell weitergingen. Dann trafen wir eine Schweizerin mit einem ganzen Haufen Obst im Gepäck. Die Dorfbewohner hatten es verschenkt und wollten überhaupt kein Geld dafür. Sie wollten einfach nur den Wanderern etwas Gutes tun. Ziemlich unhöflich, so eine liebe Geste abzulehnen, oder?

Nunja, zurück zu Etappe 1… Nachdem wir also den Abstieg hinter uns gelassen hatten, ging es weiter durch Reisfelder und Wald. Wir durchquerten das kleine Örtchen Lili, wo wir uns am Wegrand schnell einen frischgepressten, unfassbar leckeren Orangensaft gönnten (übrigens: die Orangen sind dort grün!) und kamen dann in das hübsche Dörfchen Ghermu, an dessen Ende wir eine gemütliche Lodge entdeckten. Ein guter Platz für eine kleine Teepause. Da wir zu diesem Zeitpunkt bereits ziemlich im Eimer waren und Fab inzwischen ziemliche Schulterschmerzen hatte, kam uns das äußerst gelegen. Wir stellten unsere Rucksäcke ab, zogen die Wanderschuhe aus und lehnten uns für einige Minuten entspannt zurück. Es war bereits 14 Uhr und wir hatten noch zwei anstrengende Stunden vor uns. Einen kurzen Augenblick lang überlegten wir, einfach hier zu bleiben. Aber irgendwie wollten wir nicht schon am ersten Tag in Rückstand geraten. Man weiß ja nicht, was noch kommt. Und wir waren uns zu diesem Zeitpunkt auch noch nicht sicher, ob wir es beim Circuit belassen oder im Anschluss daran noch weiter zum Annapurna Basecamp laufen wollten. Die Wanderung dorthin hätte noch zusätzliche 7 Tage in Anspruch genommen und unser Zeitfenster für den Circuit damit deutlich verkürzt. Wir bissen also die Zähne zusammen. Ich nahm Fab noch etwas Gewicht ab, um seine Schulter zu entlasten und dann wanderten wir weiter.

Ghermu

Schon kurz nach Ghermu kamen wir an eine Hängebrücke, die uns nach Syange führte. Von solchen Hängebrücken gibt es auf dem Trek wirklich Unzählige – sehr zur Freude für mich und meine Höhenangst. Nicht. An Fab geklammert und den Blick starr auf meine Füße gerichtet hatte ich mich schon über die halbe Brücke gequält, da höre ich nur ein „Oh-oh“ von Fab. Wir bekamen Gegenverkehr. Von einer Herde Esel. Wir mussten also wieder umdrehen, den ganzen Weg über die Brücke zurücklaufen und dann vor der Brücke geduldig warten, bis alle Esel an uns vorbeigetrottet waren. Und dann durften wir noch einmal von vorne anfangen.

Syange

Nach der Brücke kamen wir wieder zurück auf die Jeep-Piste, der wir nun bis zum Etappenziel folgen mussten. Die Straße führte im Zick-Zack steil den Berg hinauf und saugte noch den letzten Tropfen Energie aus uns heraus. Immer wieder fuhren Jeeps an uns vorbei, die den Staub auf der Piste aufwirbelten und uns das Atmen noch zusätzlich erschwerten. Doch irgendwann war es endlich so weit; wir konnten in kurzer Entfernung Jagat erkennen, unser Etappenziel für heute.

Jagat

Dort angekommen, lachten uns in der ersten Unterkunft am Ortseingang der Belgier und der Engländer entgegen. Aber wir hatten in unserem Wanderführer von einer ganz tollen Lodge gelesen und liefen deswegen weiter. Ein Fehler, wie sich herausstellte. Als wir in der Eco Lodge ankamen, ließen wir uns ein Zimmer zeigen. Geräumig, dicke Matratzen, sogar ein eigenes Klo und eine warme Gemeinschaftsdusche – was will man mehr? Leider waren vor uns bereits so viele duschen, dass das Wasser eiskalt und die Dusche abartig dreckig war. Fab ist beim Duschen erstmal die Seife aus der Hand gerutscht und – wie sollte es auch anders sein – geradewegs ins Hockklo gefallen. Außerdem schien die Unterkunft nicht nur in unserem Wanderführer bekannt zu sein. Die Lodge füllte sich rasend schnell mit ganzen Gruppen von Wanderern, denn scheinbar ist sie sehr beliebt bei den Guides und Trägern. Mit Entspannung und Ruhe war also nichts. Daher entschieden wir uns, einfach sehr zeitig ins Bett zu gehen. Aber es dauerte nicht lange, da wurden wir ziemlich brutal aus dem Schlaf gerissen. Was man nämlich wissen sollte ist, dass die Häuser in diesen Dörfern allesamt komplett aus Holz gebaut sind. Und irgendwann betraten drei kräftige Engländer ihr Zimmer über uns. Man könnte meinen, sie seien durch ihr Zimmer gesprungen, so wie es bei jedem Schritt gepoltert hat. Es war ein Höllenlärm, unsere Betten haben gewackelt und es rieselte Dreck von der Decke. Und man konnte natürlich jedes Wort hören, das sie da oben wechselten. Und jedes Mal, wenn wir gerade wieder am einschlafen waren, rumpelte es wieder. Und jedes Mal schreckten wir wieder aus dem Schlaf. Irgendwann fing ich an mich zu fragen, wie lange die Decke das Ganze wohl aushalten würde. Und das war Lektion 2: Schlaf immer im Obergeschoss!