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Eis im Regenwald

Nach mehr als vier Monaten auf Reisen gehören neue Erfahrungen und spannende Erlebnisse zum täglich Brot. Höchste Zeit, mal wieder etwas richtig Aufregendes zu tun und die eigenen Grenzen auf die Probe zu stellen. Warum also nicht einfach mal in einen Helikopter steigen, sich auf einen Gletscher fliegen lassen und bei einer kleinen Wanderung das Eis erkunden? Eine Chance, die wir so schnell wohl nicht wieder haben werden und direkt am Schopfe gepackt haben.

In den letzten Tagen haben wir mal wieder die Südalpen bewundert, dieses Mal jedoch genau auf der anderen Seite vom Mt. Cook. Dort haben wir uns in dem Städtchen Franz Josef niedergelassen, welches am Fuße des Franz-Josef-Gletschers liegt. Dieser Gletscher ist etwas ganz Besonderes, denn er befindet sich fast unmittelbar an der Küste. Bis vor einiger Zeit war er sogar so groß, dass er bis ins Meer reichte, aber wie die meisten Gletscher hat auch der Franz-Josef stark an Länge und Masse verloren. Da sich die Alpen so nahe an der Küste befinden, bleibt die gesamte warme, feuchte Luft aus Australien dort hängen und regnet sich aus. Und so entsteht das Phänomen, dass sich ein Gletscher direkt im Regenwald befindet. Das wird vor allem dadurch verstärkt, dass der Franz-Josef-Gletscher mit seinen gerade mal 400 m Höhe recht niedrig ist und die Gletscherzunge bis ins Tal hinunter geht. Will man den Gletscher vom Tal aus betrachten, läuft man zunächst ein paar Kilometer durch dichten Urwald, bis dieser sich schließlich lichtet und den Blick auf das Eis freigibt. Das ist jedoch nicht ganz ungefährlich, denn zum Einen können Eis- und Felsbrocken schnell abbrechen und ins Tal stürzen. Zum Anderen kann das Eis einen Damm für das Gletscherwasser bilden und wenn dieser bricht, ist das Tal innerhalb von Minuten geflutet. Überhaupt werden viele der Wege von kleinen Flüssen gekreuzt, ohne dass es jedoch Brücken gibt. Einen Spaziergang zum benachbarten Fox-Gletscher mussten wir deswegen leider kurz vorm Ziel abbrechen. Nachdem wir bereits einen Fluss heil und trocken überquert hatten, sind wir an eine für unseren Geschmack etwas zu starke Strömung gelangt. Letztendlich hat die Vernunft gesiegt und statt über die nassen Steine zu balancieren, haben wir doch lieber kehrt gemacht.

Wenn man die Gletscher aber so richtig aus der Nähe sehen möchte, bleibt einem nichts anderes übrig, als eine geführte Tour auf dem Eis zu buchen und genau das haben wir dann auch gemacht. Nachdem wir erklärt haben, dass wir das Risiko von Lawinen, Schluchten, Eis- und Steingeröll, Kälte und körperlicher Anstrengung kennen und im Schadensfalle auf eine Klage verzichten, wurden wir mit wasserdichter Überkleidung, dicken Socken, ordentlichem Schuhwerk und Crampons ausgerüstet und haben uns anschließend zum Heli-Landeplatz aufgemacht. Den fünfminütigen Flug haben wir trotz Höhenangst erstaunlich gut, ja sogar richtig mit Begeisterung hinter uns gebracht und dann ging es auch schon los. Über das Eis, unter das Eis und durch Schluchten, die so eng waren, dass wir uns selbst seitwärts noch angestrengt durchquetschen mussten, die Füße um 90 Grad nach links gedreht und den rechten Fuß stets hinter dem Linken herziehend, weil es nicht möglich war, einen Fuß vor den Anderen zu setzen.

Ice Explorer Tour mit den Franz Josef Glacier Guides
Ice Explorer Tour mit den Franz Josef Glacier Guides
Ice Explorer Tour mit den Franz Josef Glacier Guides
Ice Explorer Tour mit den Franz Josef Glacier Guides

Immer wieder ließ uns das Schallen von Steingeröll erstarren und wild umherblicken, aber glücklicherweise war es immer weit genug entfernt. Am Rande des Gletschers machten wir an einem brausenden Wasserfall Halt, in dem sich gerade ein Regenbogen gebildet hatte und hörten uns die Geschichten unseres Guides an. Nebenbei kosteten wir vom kalten, aber unglaublich frischen Wasser des Gletschers und bestaunten die ganze Zeit die Muster, die sich in dem Eis gebildet hatten, die Formationen der Eisbrocken und vor allem das faszinierende Blau. Die knapp drei Stunden auf dem Eis sind wie im Nichts vergangen und doch waren wir ganz froh, als wir schließlich wieder in den Heli geklettert und zurückgeflogen sind. Im Anschluss haben wir uns noch etwas Entspannung in den Hot Pools gegönnt, die am Rande der Stadt im Urwald gelegen sind („am Rande der Stadt“ ist leicht gesagt, denn es gibt nur zwei kurze Straßen).

– Tini