Das Land aus Eis und Feuer – Der Süden: Teil I

Da waren wir nun: Island. Eines der Länder, die schon lange ganz oben auf unserer Must-See-Liste standen. Warum? Weil es hier so viele tolle Dinge zu sehen gibt: Vulkane, Gletscher, Wasserfälle und nicht zuletzt natürlich die berühmte Aurora Borealis, auch bekannt als Nordlichter. Mit seinen knapp 335.000 Einwohnern ist Island natürlich eher dünn besiedelt, zumal schon mehr als ein Drittel davon in der Hauptstadt Reykjavik wohnen. Wer also lieber einen Hauch von Großstadtflair erleben möchte, auf Shoppen und Partys steht oder generell eher zu den Leuten gehört, die gerne nur in einem Hotel bleiben, der kann sich eine schöne Bleibe in Reykjavik suchen und von dort aus ganz bequem Tagesausflüge machen. Das ist tatsächlich gar kein Problem, weil die meisten coolen Orte an der Südküste liegen und von Reykjavik aus sehr gut zu erreichen sind. Wenn man aber – wie wir – etwas mehr Zeit und Lust hat, dann lohnt es sich wirklich, das Land in Ruhe zu erkunden. Auch das ist überhaupt kein Problem, denn tatsächlich führt die Hauptstraße Nr. 1 einmal komplett um die Insel. Die Ringstraße ist fast durchgängig asphaltiert und stets gut befahrbar. Von der Ringstraße führen immer wieder Straßen ab, teils asphaltiert, teils nur als Schotterstraße. Wichtig ist, dass man sich schon bei der Vorbereitung und Planung Gedanken darüber macht, wo man denn eigentlich so hinfahren möchte, denn viele der Straßen – insbesondere die im Hochland – sind mit dem normalen Pkw nicht befahrbar. Diese F-Roads sind nämlich nicht einfach nur Schotterstraßen, sondern haben teilweise (oder eigentlich fast überwiegend) wirklich nur Schlaglöcher und führen oftmals durch Bäche, mitunter sogar durch ganze Flüsse. Ohne Geländewagen mit 4WD geht auf diesen Straßen also gar nichts; wenn möglich sollte man sogar mit zwei Autos fahren, falls mal eines stecken bleibt. Zu einigen Orten im Hochland fahren aber auch spezielle Hochlandbusse und deswegen haben wir uns letztlich für den deutlich günstigeren Kompaktwagen entschieden. Bekommen haben wir einen kleinen Renault Megane, von dem wir wirklich gar nicht begeistert waren, aber man gewöhnt sich ja an alles. Tja und dann ging es auch schon los.

Tag 1. Da wir erst am späten Abend gelandet sind und irgendwann nachts unseren Mietwagen abgeholt haben, lag es natürlich nahe, die erste Nacht in Flughafennähe zu verbringen. Von dort aus sind wir dann am nächsten Morgen nach Reykjavik gefahren, um etwas durch die Straßen zu schlendern und noch gemütlich einen Kaffee zu trinken. Reykjavik ist eine sehr schöne und gemütliche Stadt mit vielen schönen Ecken und einem sehr aktiven Nachtleben. Da wir ja aber wussten, dass wir am Ende unserer Reise wieder nach Reykjavik kommen würden, wollten wir hier nicht allzu viel Zeit verlieren und haben uns deswegen schon am Nachmittag wieder auf den Weg gemacht, um den Golden Circle zu erkunden. Unser erster Stopp im Golden Circle war der Þingvellir Nationalpark (gesprochen wird das „Thinkwedlir“ – das Þ sollte man auf keinen Fall mit einem P verwechseln, denn es entspricht dem englischen Th, weswegen man auch Thingvellir schreibt).

Þingvellir

In Thingvellir wurde das isländische Parlament gegründet, eines der ältesten Parlamente der Welt. Aber auch landschaftlich ist der Nationalpark ganz interessant, denn er liegt genau auf der Grenze zwischen der eurasischen und der amerikanischen Platte. Da sich die beiden Platten voneinander wegbewegen, findet man hier Risse und Schluchten. Leider war das Wetter aber nicht ganz auf unserer Seite und der stürmische Wind mit leichtem Regen hat uns die Lust genommen, die Gegend etwas genauer zu erkunden. Aus diesem Grund sind wir schon am frühen Abend zu unserer Unterkunft aufgebrochen – einem einsamen kleinen Hostel irgendwo im Nirgendwo, dass ursprünglich mal eine Schule war und eigentlich auch noch genauso aussah. Selbst die Turnhalle war noch da, in der wir uns dann am Abend noch einmal mit einem kleinen Basketballduell richtig ausgetobt haben (Fab hat gewonnen, was aber selbstverständlich nur an meiner Müdigkeit gelegen hat…).

Tag 2. Am zweiten Tag ging es dann weiter durch den Golden Circle. Unser erstes Ziel war der Strokkur Geysir im Hochtemperaturgebiet Haukadalur. Im Gegensatz zu seinem Nachbarn, dem Großen Geysir (der Namensgeber aller Geysire), bricht der Strokkur ausgesprochen häufig aus, nämlich regelmäßig im Abstand von etwa 5-10 Minuten. Das Wasser erreicht eine Höhe von ca. 30 Metern und gibt damit ein faszinierendes Bild ab. Gestört wird dieses Bild nur durch die Masse von Touristen, die sich um den Geysir herum versammelt. Trotz der vielen Leute haben wir aber immerhin noch ein freies Plätzchen gefunden, an dem wir in Ruhe unser Kamerastativ aufbauen und versuchen konnten, die riesige Wassersäule auf ein Foto zu bekommen. Hierbei ist natürlich Geduld gefragt, denn es braucht doch so einige Versuche, bis man den richtigen Bildausschnitt gefunden hat, auf dem der ganze Geysir zu sehen ist. Man hat ja auch nur Sekunden Zeit, um den Auslöser zu drücken und dann ist erst einmal wieder Warten bis zum nächsten Ausbruch angesagt. Bei der ganzen Aktion war der starke Wind auch nicht gerade hilfreich, der das Wasser des Geysirs ganz schön mitgerissen hat. Zwischendurch hat der Wind dann auch einmal seine Richtung geändert und ist uns damit etwas zum Verhängnis geworden. Das ganze Wasser hat sich dann nämlich über uns ergossen und wir mussten schnell die Kamera mitsamt Stativ packen und davon rennen. Immerhin kühlt das kochende, ca. 100 °C heiße Wasser während der kurzen Eruptionsphase bereits so stark ab, dass es keine Gefahr mehr darstellt. Nach Schwefel stinkt es aber trotzdem.

Strokkur Geysir
Strokkur Geysir

Als wir dann ein paar Ausbrüche bestaunt hatten, haben wir noch einen kleinen Umweg auf einen benachbarten Berg gemacht, um etwas die Aussicht zu genießen. Landschaftlich war es aber, abgesehen vom Geysir am Fuß des Berges, doch etwas karg und der extreme Wind auf Dauer ziemlich anstrengend, sodass wir nicht lange geblieben sind. Stattdessen haben wir uns schnell wieder ins Auto gesetzt und sind zu unserem letzten Stopp im Golden Circle gefahren, dem gigantischen Gullfoss. Der Gullfoss ist ein atemberaubender Wasserfall, der zunächst aus einigen steilen Kaskaden besteht und sich dann einige Meter weiter in eine tiefe Schlucht ergießt.

Gullfoss
Gullfoss

Am späten Nachmittag haben wir dann unser Hotel in einem Örtchen namens Hvolsvöllur (wird „Kwolswödlur“ gesprochen) erreicht, indem wir uns für vier Nächte einquartiert haben. Leider hatten wir nicht erwartet, dass dieses Städtchen so tote Hose ist. Unser Abendessen fiel daher etwas spärlich aus mit Sandwiches, Brot, Avocado und für Fab ein halbes Hähnchen aus dem kleinen Supermarkt nebenan. Nach einem kurzen, aber dringend notwendigen Nickerchen klingelte dann um 22.30 Uhr unser Wecker, denn der Himmel schien wolkenfrei und deswegen wollten wir uns auf die Suche nach Nordlichtern machen. Obwohl Hvolsvöllur keine 1.000 Einwohner hat, gab es doch viele störende Lichter und Laternen, aber man musste eben auch nicht unbedingt weit laufen, um eine bessere Sicht auf den Himmel zu haben. Und siehe da: die ersten Nordlichter. Sie waren nicht stark und nicht sehr aktiv, aber immerhin konnte man sie mit bloßem Auge sehen und wir hatten ja schließlich auch noch genügend Nächte Zeit, um sie in voller Pracht zu genießen. Dachten wir jedenfalls. Und so sind wir schon bald wieder zurück ins Bett gegangen.

Nordlichter über Hvolsvöllur
Nordlichter über Hvolsvöllur

Tag 3. Unser dritter Tag verlief leider so gar nicht wie geplant. Eigentlich wollten wir mit der Fähre zu der Insel Heimaey fahren, die Größte der Westmännerinseln. Auf der Insel brach 1973 ein Vulkan aus, fast 400 Häuser wurden dabei unter Lava begraben. Heimaey wird deswegen auch das Pompeji des Nordens genannt. Obwohl der Vulkanausbruch damals unerwartet kam, konnte die Insel übrigens noch rechtzeitig evakuiert werden. Heute kann man sich den ganzen Schlamassel angucken. Vorausgesetzt die Fähre hat nicht Ruhetag wegen Wartungsarbeiten. So wie bei uns.

Nachdem wir dann also einmal umsonst zum Fährhafen gefahren sind, wurde aus unserem Inseltag ein Wasserfallbesichtigungstag. Fast direkt an der Straße zur Fähre befindet sich der berühmte Seljalandsfoss, um den man komplett herumlaufen kann. Auch hier tummelten sich unzählige Touristen, mitunter ganze Reisebusse.

Seljalandsfoss
Seljalandsfoss

Neben dem Seljalandsfoss kann man noch einen kleinen Weg am Berg entlang laufen, an dessen Ende man eine Höhle mit einem weiteren Wasserfall findet. In die Höhle kommt man allerdings nur, indem man durch den kleinen Bach läuft, der durch den Wasserfall entsteht. Man sollte also entweder gut auf Steinen balancieren können oder wenigstens ordentliche Wanderschuhe tragen. Als wir in die Höhle kamen, waren wir so gut wie alleine. Allerdings haben uns die Leute hinein stapfen sehen und so hat sich die Höhle nach und nach mit Leuten gefüllt. Anfangs klappte noch alles super; die Leute haben sich in einer Reihe angestellt, um nacheinander auf den großen Stein vor dem Wasserfall zu klettern und sich fotografieren zu lassen, man hat sich gegenseitig geholfen und es war richtig nett. Bis dann ein Paar in die Höhle kam, an der „Warteschlange“ vorbei marschierte, auf den Stein kletterte und dort in aller Seelenruhe den anderen die Laune verdarb. Tja und wie es eben so ist, wenn einer anfängt und neue Leute dazu kommen, hat es nicht lange gedauert, da war in der Höhle das Chaos ausgebrochen und man konnte kaum noch etwas sehen. Zeit für uns zu gehen.

Wasserfall in der Höhle
Wasserfall in der Höhle

Nächster Halt: Skógafoss, ein gewaltiger Wasserfall von 25 Metern Breite und ganzen 60 Metern Höhe. Es ist Wahnsinn, wie winzig und unbedeutend man sich vorkommt, wenn man vor so einem Wasserfall steht und sich den Nacken verrenkt, um bis nach oben schauen zu können.

Skógafoss
Skógafoss

Leider verfolgten uns noch immer Wind und Regen und so beschlossen wir, zum Hotel zurückzukehren und die nächsten beiden Tage zu planen, an denen wir zwei der wohl atemberaubendsten Gegenden Islands erkunden wollten: Þórsmörk (Thorsmörk) und Landmannalaugar. Beide Orte sind mit dem normalen Pkw nicht zu erreichen und es zu versuchen wäre einfach nur dumm. Und leider hatte auch bereits die Wintersaison begonnen, weswegen Touren dorthin so gut wie gar nicht mehr stattfanden bzw. die letzten Wenigen restlos ausgebucht waren. Letztendlich blieb uns also nur noch der Hochlandbus, der zum Glück gerade noch in der Saison-Auslaufphase war und so wenigstens noch 1-2 Mal am Tag fuhr.

Absolut langwierig, chaotisch und nervenaufreibend wurde dann aber die Planung unserer Wanderroute für Þórsmörk. Þórsmörk ist der Ort, auf den ich mich vor der Reise wohl am allermeisten gefreut habe. Übersetzt heißt Þórsmörk „Wald des Thor“ und der Donnergott hat dort wirklich erstaunliche Arbeit geleistet. Zwischen Þórsmörk und dem angrenzenden Goðaland hat der Gletscherfluss Krossá ein gigantisches Flussbett in die Berglandschaft gegraben. Das Tal liegt zwischen drei Gletschern und bietet absolut faszinierende Blicke auf Berghänge, die mit isländischem Moos und einigen Birken bewachsen sind. Einer der drei Gletscher ist der Eyjafjallajökull, der erst vor wenigen Jahren weltweite Berühmtheit erlangt hat. Unter dem Gletscher befindet sich nämlich der Vulkan, der 2010 ausgebrochen ist und den gesamten europäischen Flugverkehr lahmgelegt hat. Bei dem Ausbruch sind die zwei neuen Krater Magni und Modi entstanden, die heute noch immer so heiß sind, dass man auf der Lava seine Sandwiches braten kann. Von Þórsmörk führt ein Wanderweg direkt über die frischen Lavafelder zu den beiden Kratern und weiter nach Süden bis zum Skógafoss, den wir bereits besichtigt haben. Die Strecke ist etwa 25 km lang und dauert 8-10 Stunden. Und da ich UNBEDINGT die Lavafelder und die beiden Krater sehen wollte, habe ich diese Tageswanderung fest eingeplant. Nur leider war eben schon Wintersaison und der Bus vom Skógafoss zurück zu unserem Hotel fuhr nicht mehr. Hinzu kam noch, dass uns der nette Herr in der Touristeninformation in Hvolsvöllur vor der Wanderung gewarnt hat. Denn während Þórsmörk dank der drei Gletscher relativ wettergeschützt ist, ist man auf den Bergen der vollen Gewalt Thors ausgesetzt. Das Wetter ist absolut unberechenbar und kann innerhalb weniger Stunden von strahlendem Sonnenschein über Regen bis hin zu Schneestürmen wechseln. Der Herr in der Information meinte, wenn das Wetter in Hvolsvöllur normal ist, dann ist es dort oben windig und wenn es in Hvolsvöllur windig ist, dann ist dort oben Sturm. Und es war windig in Hvolsvöllur. So windig, dass wir bereits all unsere Kleidungsschichten trugen, die wir dabei und eigentlich für die kalten Nächte eingepackt hatten. So windig, dass wir immer so schnell wie möglich wieder ins Auto oder ins Hotel gehuscht sind. Und trotzdem: wir wollten diese Krater sehen!

Nach einigem Hin und Her mit ausgebreiteten Karten, Google Maps und zahlreichen Missverständnissen hatten wir dann endlich die – eigentlich ziemlich simple – Lösung: Mit dem Hochlandbus nach Þórsmörk, Wanderung zu den Kratern und zurück ins Tal und mit dem Hochlandbus zurück nach Hvolsvöllur. Das Problem an der Sache war, dass wir nur sechs Stunden Aufenthalt hatten, die Entfernung zum Krater 8 km pro Strecke betrug und der Weg dorthin im Internet als extrem steil und anstrengend beschrieben wurde. Aber es war unsere einzige Chance und die wollten wir nutzen.

Tag 4. Am nächsten Morgen stiegen wir also in den Hochlandbus, der uns nach Þórsmörk bringen sollte. Von der Ringstraße aus führt eine Schotterpiste durch zahlreiche, teilweise nicht ganz ungefährliche Furten bis in das Krossátal zwischen Þórsmörk und Goðaland. Die Fahrt dorthin ist wirklich abenteuerlich und vermutlich nichts für Leute, denen schnell schlecht wird. Auf der holprigen Strecke kann man nämlich leicht mal vom Sitz abheben. Hin und wieder trifft man unterwegs mal auf mehr oder weniger verzweifelte Touristen in ihren Geländewagen, die vor einer der Furten halten und darüber nachdenken, wie sie diese am besten überqueren können. An einem Fluss stand ein SUV von Richtung Þórsmörk kommend, dessen Fahrer sich anscheinend nicht mehr weiter getraut hat. Verübeln kann man es ihm kaum, denn wir hätten uns sicher auch nicht getraut. Unsere Vermutung ist, dass er einige Tage in Þórsmörk geblieben ist und sich der Fluss wegen des ständigen Regens in der Zwischenzeit gefüllt hat. Wie dem auch sei, am Abend stand er jedenfalls nicht mehr da.

Auf dem Weg nach Þórsmörk
Auf dem Weg nach Þórsmörk
Hochlandbus in Þórsmörk
Hochlandbus in Þórsmörk

Unsere Wanderung begann am Básar, einem kleinen Campingplatz am Rande des Tals. Von dort aus führt der Weg zunächst durch lichten Birkenwald die ersten Berge hinauf. Oben angekommen hat man eine grandiose Aussicht auf die umliegenden Schluchten, die drei Gletscher und die vielen schwarzen vulkanischen Berge mit ihrem leuchtend grünen Moos. Es war einfach absolut überwältigend. Begleitet wurden wir von einem Wechsel aus Wolken, leichtem Sonnenschein und Regen, was dem Bild zusätzlich noch herrliche Regenbögen hinzufügte. Die erste große Hürde auf unserer Wanderung ließ jedoch nicht allzu lange auf sich warten. Sie trägt den Namen Cat’s Spine (Katzenwirbelsäule) und ist ein schmaler Kamm, der zu beiden Seiten ziemlich steile Hängen hinunter in die Täler hat.

Cat's Spine
Cat’s Spine

Normalerweise scheint es hier ein Seil zu geben, an dem man sich wenigstens festhalten kann, bei uns gab es dieses aber nicht oder war zumindest nur noch an einem Ende des Kamms vorhanden. Für mich und meine Höhenangst war dies hier das absolute Horrorszenario. Dennoch wurde der Drang, einfach umzukehren, durch den Wunsch besiegt, die frische Lava mit eigenen Augen zu sehen. Und so quälte ich mich mit weichen Knien auf wackeligen Beinen über den schmalen Grat, den Blick stets gebannt auf meine Füße gerichtet in dem verzweifelten Bemühen, nicht in die tiefen Abgründe zu schauen, die sich nur wenige Zentimeter links und rechts neben mir auftaten. Auf der anderen Seite hieß es erst einmal tief durchatmen, bevor ich den Blick wieder heben und die neue Aussicht genießen konnte.

Cat's Spine
Cat’s Spine

Mittlerweile waren wir genau zwischen den zwei Gletschern Eyjafjallajökull und Mýrdalsjökull angekommen. Doch als ob es nicht so schon atemberaubend und beängstigend zugleich wäre, zwischen zwei so gigantischen Gletschern zu stehen, wirkt der Mýrdalsjökull ganz besonders bedrohlich. Grund dafür ist wohl das Wissen, dass unter diesem fast 600 km² großen Gletscher der Vulkan Katla mit seiner 100 km² großen Caldera lauert und genau dieser Vulkan wahrscheinlich sehr bald ausbrechen wird. Der Ausbruch ist schon mehr als überfällig und Ende August gab es bereits mehrere starke Erdbeben, die stärksten seit Jahrzehnten. Dieser Vulkan ist so gewaltig, dass für den Fall seines Ausbruchs eine Veränderung des gesamten Weltklimas erwartet wird. Was der Eyjafjallajökull 2010 in einer Woche an Asche ausgespuckt hat, spuckt der Katla in 10 Minuten. Etwas furchteinflößend ist es also schon, wenn man direkt neben einem solchen hochaktiven Koloss steht. Doch es sollte noch schlimmer werden…

Ein weiterer steiler Anstieg brachte uns auf eine Ebene in etwas über 830 Metern Höhe. Und dort wurde uns schlagartig klar, was der Herr in der Touristeninformation meinte. Wenn es unten windig ist, dann herrscht dort oben Sturm. Richtiger Sturm. Beim Überqueren der Ebene haben uns solche starken Sturmböen erwischt, dass ich immer wieder abrupt nach Fabs Hand griff, um mich wenigstens irgendwo festhalten zu können. Und obwohl wir uns schließlich nur noch aneinander geklammert gemeinsam gegen den Wind stemmten, wurden wir teilweise miteinander einfach mal locker einen Meter vom Weg abgeschoben. Ich merkte, wie mir der Wind langsam die Kontaktlinsen in den Augen zur Seite schob und irgendwann prallte mir auch noch Hagel hart ins Gesicht. Zwischendurch gab es immer wieder kurze windstille Momente, aber selbst dann hörte man schon das ohrenbetäubende, donnerartige Grollen des Windes, der über den Gletscher hinweg mit voller Wucht auf uns zurollte und uns jeden Augenblick wieder erfassen würde. So schnell wie möglich überquerten wir die lange Ebene, um dem Sturm zu entkommen. Aber am Ende der Ebene erwartete uns eine böse Überraschung: Hell’s Ridge, der Höllenkamm. Und obwohl unser heiß ersehntes Ziel nur noch wenige Minuten entfernt lag, obwohl wir solche Mühen auf uns genommen hatten und obwohl wir sogar schon sehen konnten, wie sich die Lava vor uns in die Schluchten ergoss, war uns sofort klar, dass wir keinen Schritt weiter gehen würden. Hell’s Ridge ist ein Bergkamm, noch schmaler, noch steiler und noch gefährlicher als Cat’s Spine. Und als wäre das nicht schon genug, kamen dazu noch die unberechenbaren Sturmböen, die uns so verdammt einfach vom Weg geschoben haben. Neben dem Höllenkamm befand sich ein kleiner Wasserfall – dessen Wasser nach oben wehte. Tja und obwohl wir auf der anderen Seite einen Wanderer den letzten Berg erklimmen sahen, hatten wir hier unser Ende erreicht.

Hell's Ridge
Ein kleiner Ausschnitt von Hell’s Ridge. Den Großteil sieht man auf dem Bild nicht, weil er hinter der Kante versteckt ist, da es erst einmal bergab geht. So nah wollte ich aber nicht herangehen für ein Foto.
Lava von Magni und Modi
Lava von Magni und Modi

Wir machten also kehrt, gingen den ganzen Weg zurück über die Ebene, über Cat’s Spine und die Berge wieder hinunter. Nach einer kurzen Erholungspause am Básar blieben uns noch etwa zwei Stunden, bis uns der Bus zurück in die Stadt bringen würde. Diese Zeit haben wir ganz gut genutzt, indem wir einfach im Tal entlang des Krossáflussbettes spaziert sind und die Ruhe genossen haben. Zurück in Hvolsvöllur gönnten wir uns noch eine große warme Mahlzeit in einer netten kleinen Pizzeria und ließen dann schließlich den Tag im hoteleigenen Hot Tub ausklingen.

Tag 5. Trotz schmerzender Glieder ließen wir es uns nicht nehmen, am folgenden Tag mit dem Hochlandbus nach Landmannalaugar zu fahren. Landmannalaugar liegt im Hochland und gilt als eine der schönsten Regionen Islands. Grund dafür sind die fantastisch bunten Berge, die ihre Farben der hohen vulkanischen Aktivität verdanken. Eisen, Schwefel, Kalk und Kieselsäure haben die Berge rot, gelb, weiß und türkis gefärbt. Mittendrin findet man schwarze Lavafelder mit leuchtend grünem isländischem Moos sowie hier und da ein paar Dampfschwaden aus Fumarolen. Ergänzt wird das Bild wundervoll durch viele unberührte Schneekleckse.

Landmannalaugar
Landmannalaugar

Schon allein die Fahrt nach Landmannalaugar ist den Besuch allemal wert. Wir sind im Städtchen Hella, dem Nachbarort von Hvolsvöllur, in den Bus gestiegen und von dort aus etwa 2,5 Stunden gefahren. Zunächst fährt man noch eine ganze Weile auf asphaltierter Straße, vorbei an Bergen und dem Vulkan Hekla. Aber sobald man die Straße verlässt und auf die Hochlandpiste (F208) kommt, ändert sich die Landschaft in eine unvergleichliche Vulkanlandschaft. Hier lohnt es sich wirklich, mit dem eigenen Geländewagen unterwegs zu sein, denn man möchte einfach ständig anhalten und staunen. Egal wohin man schaut, man sieht schwarzen Sand und Lavagestein soweit das Auge reicht. Zwischendrin ragen immer wieder tiefschwarze Berge aus dem Boden, oftmals auch diese mit leuchtend grünem Moos bewachsen. Eine Stunde fährt man durch dieses Bild, bis man letztlich nach dem Überqueren einer großen Furt am Campingplatz in Landmannalaugar ankommt.

Auf dem Weg nach Landmannalaugar
Auf dem Weg nach Landmannalaugar

In Landmannalaugar selbst gibt es zahlreiche markierte Wanderwege, einer davon führt sogar bis nach Þórsmörk. Leider hatten wir auch hier wieder das Problem, dass die Busse wegen der startenden Wintersaison nur sehr eingeschränkt unterwegs waren und deswegen blieben uns hier gerade mal drei Stunden, um die Landschaft zu erkunden. Eigentlich hätten wir laut Fahrplan 3,5 Stunden haben sollen, aber zu unserem Übel war der Busfahrer sehr entspannt im Hinblick auf Pünktlichkeit. Der Bus hätte 9.30 Uhr in Hella losfahren sollen, kam dort aber erst 9.40 Uhr an. Soweit so gut, nur leider stieg der Busfahrer dann erst einmal aus und verkündete eine 10-minütige Pause. Während der Pause stand er gemütlich vorm Bus und als die 10 Minuten rum waren, stapfte er los, um sich im Supermarkt Kaffee zu holen, den er dann noch in aller Ruhe auf dem Rastplatz trinken wollte. Losgefahren sind wir dann um 10 Uhr und damit war unser Aufenthalt deutlich gekürzt. Letztendlich konnten wir ja froh sein, dass wir Landmannalaugar überhaupt einen Besuch abstatten konnten, denn die Zugangspisten sind gerade mal zwei Monate im Jahr offen. Und auch mit dem Wetter hatten wir einigermaßen Glück. Es hat zwar – mal wieder – fast die ganze Zeit geregnet, aber im Durchschnitt herrschen hier Temperaturen von um die 0 °C, sodass es selbst im Sommer starke Temperatureinbrüche und plötzliche Schneestürme gibt. Das Wetter in Landmannalaugar ist wohl tatsächlich schon einigen Wanderern zum Verhängnis geworden, die bei schönstem Sommerwetter ohne entsprechend warme Kleidung losgestapft sind.

Herausgesucht hatten wir uns eine etwa dreistündige Wanderung, die wegen der Verspätung letztlich etwas hektisch ausgefallen ist. Los ging es vom Campingplatz aus vorbei an einer heißen Quelle, die bei Reisenden ein beliebtes Ziel zum Baden ist.

Heiße Quellen in Landmannalaugar
Heiße Quellen in Landmannalaugar

Von dort aus führt ein Weg über den moosbewachsenen Lavastrom Laugahraun, der aus dem glänzenden Lavagestein Obsidian besteht. Hat man den Lavastrom passiert, geht der Weg weiter durch ein kleines Tal, in dem man einen kleinen Bach überqueren muss. Dahinter beginnt der äußerst steile und anstrengende Aufstieg auf den Vulkan Brennisteinsalda. Der Berg ist eigentlich ein Lavadom, d.h. bei dem letzten Ausbruch war die Lava so zähflüssig, dass sie direkt über der Austrittsstelle einen Hügel gebildet hat und so auch erkaltet ist. Da der Vulkan aber noch immer aktiv ist, bilden sich dort dampfende Fumarolen und wunderschöne Farben. Beim Aufstieg läuft – bzw. wohl eher klettert, denn es ist wirklich sehr steil – man fast ausschließlich auf Ascheablagerung, was das Ganze nicht unbedingt vereinfacht. Man kann sich das in etwa so vorstellen, als würde man einen Sandberg hinaufklettern, bei dem einem ständig der Sand unter den Füßen wegrutscht. Aber die Mühe lohnt sich, denn von oben hat man eine Wahnsinns-360°-Aussicht über die umliegenden Vulkane und Täler.

Aussicht vom Vulkan Brennisteinsalda
Aussicht vom Vulkan Brennisteinsalda

Allerdings wehte uns auch hier ein sehr starker Wind um die Ohren und dank der Verspätung mit dem Bus hatten wir ja ohnehin keine Zeit für eine ausgiebige Pause. Deswegen haben wir uns schon bald wieder an den Abstieg auf der anderen Seite des Berges gemacht, auf der die dampfenden Fumarolen noch einmal von Nahem zu sehen sind.

Vulkan Brennisteinsalda mit seinen Fumarolen
Vulkan Brennisteinsalda mit seinen Fumarolen

Unten angekommen ging es dann noch einmal kurz über den Lavastrom und weiter durch eine kleine Schlucht zwischen Lavafeld und einem blaugrauen Vulkan aus Pechstein. Pünktlich zur Abfahrt saßen wir dann wieder im Bus, müde und mit schmerzenden Beinen – und etwas traurig, dass wir hier nur so wenig Zeit zum Erkunden hatten.

Tini

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