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Etappe 14: Tatopani – Sikha (1.935 m), 3.30 h, 7.9 km

Heute hatten wir eine der schönsten Etappen vor uns. Nachdem wir ja inzwischen schon wieder auf 1.200 m hinabgestiegen waren, sollte es von nun an wieder ordentlich bergauf gehen – nämlich auf fast 2.900 m. Das Ganze kann man durchaus innerhalb eines Tages schaffen, aber wir wollten es dann doch lieber etwas ruhiger angehen und teilten den Marsch auf zwei Tage auf. Eine weise Entscheidung, wie sich herausstellte. Nicht nur weil der Aufstieg extrem hart war und mir meine Erkältung stark zu schaffen machte, sondern auch weil die Landschaft viel zu schön war, um einfach hindurch zu hetzen.

Von Tatopani aus begleiteten uns zum letzten Mal für ein paar Minuten der Kali Gandaki und die Jeep-Piste. Dann verließen wir das Kali-Gandaki-Tal und mit ihr auch die Piste. Während der Fluss nach Südwesten verläuft, führte unser Weg nach Südosten. Wir überquerten den Kali Gandaki noch ein letztes Mal, um auf die Ostseite zu gelangen und direkt danach noch einen weiteren Fluss, der in den Kali Gandaki mündet. Und dann begann auch schon der Aufstieg. Zwar gab es auch hier eine Schotterpiste, aber die war bei Weitem nicht so schlimm, da hier scheinbar so gut wie keine Autos fuhren. Wir folgten der Straße für einige Minuten, konnten aber immer wieder auf kleine Pfade ausweichen. Wir kamen durch kleine Dörfer und vorbei an zahlreichen Feldern, Mandarinenbäumen und Bananenstauden. Überall war es tropisch grün und einladend. Wir verließen die Straße, um einem Trampelpfad zu folgen, der über hunderte von Steinstufen den Berg hinauf führte. Im Schneckentempo nahm ich eine Stufe nach der Anderen. Meine Füße taten immer noch leicht weh und meine Erkältung war bei der ganzen Geschichte auch nicht gerade eine Hilfe. Wir pausierten gefühlt im 10-Minuten-Takt, nutzten die Steinmauern, die für die Einheimischen extra auf Körperhöhe gebaut wurden, damit sie beim Anlehnen ihr Gepäck absetzen können, ohne es dabei abnehmen zu müssen. Dann erreichten wir schweißtriefend eine Art Plateau auf ca. 1.600 m. Eine komplette nepalesische Familie – vom Kleinkind bis zum Opa – war dort gerade mit Renovierungsarbeiten an einem Teehaus beschäftigt. Der Ausblick von diesem Plateau war mal wieder atemberaubend schön. Richtung Norden waren noch immer schneebedeckte Bergriesen zu sehen. Richtung Süden sah man steile Berghänge voller Ackerland und Anbauterrassen. Zwischendrin standen immer wieder vereinzelte Häuser und in der Ferne war schon das nächste Dorf zu erkennen.

Blick nach Norden
Anbauterrassen

Von hier an ging es für ein paar Minuten geradeaus weiter, stets am Hang entlang. Dann wurde es langsam wieder steiler und wir gewannen weiter an Höhe. Wir liefen an den vielen Feldern und Häuschen vorbei und konnten die Dorfbewohner bei ihrer täglichen Arbeit beobachten. Ältere Männer arbeiteten auf den Feldern, trieben Ochsen über ihren Acker. Frauen saßen an den Wasserstellen, wuschen Kleidung, Geschirr und Gemüse. Hühner spazierten durch die Gegend und Getreide trockneten in der Sonne. Und so verging die Zeit schon fast wie im Flug. Nach nur ca. 3 ½ Stunden erreichten wir unser heutiges Ziel: Sikha. Sikha gefiel uns sofort. Ein ordentlich gepflasterter Weg führte einmal quer durch das Dorf und überall am Wegrand standen eng aneinander gereiht viele hübsche Steinhäuser.

Sikha

Direkt am Ortseingang standen zwei Lodges, die uns gleich ansprachen. Wir gingen in eine davon und ließen uns eines der Zimmer zeigen. Bequeme saubere Betten, Bad und heiße Dusche – perfekt. Auch die Preise waren wieder deutlich niedriger, denn Trekker gibt es hier kaum. Wenn wir das richtig mitbekommen haben, dann haben außer uns nur drei andere Wanderer im ganzen Dorf übernachtet. Eine junge Schweizerin mit in unserer Lodge und zwei ältere Herren in der Lodge gegenüber. Die Besitzerin unserer Lodge war ersichtlich glücklich über den Besuch und sie bemühte sich total, um uns vollends zufrieden zu machen. Es war richtig niedlich, wie sie da die ganze Zeit strahlend herum wuselte.

Der Tag war noch jung. Es war gerade mal 12.30 Uhr, als wir in Sikha angekommen waren und so hatten wir nach dem Mittagessen noch ausgiebig Zeit, um die Ruhe in dieser wunderschönen Umgebung zu genießen. Naja, Fab jedenfalls, denn ich habe fast den ganzen Nachmittag geschlafen. Er dagegen saß gemütlich auf der Dachterrasse vor unserem Zimmer und genoss die Sonne.

Der Annapurna Circuit wird ja oftmals auch als „Teahouse Trek“ bezeichnet, weil es ja quasi überall Teehäuser und Lodges gibt. Ich persönlich nenne den Circuit den „Snickers Trek“. Denn es gibt überall, und zwar wirklich überall auf dem Trek Snickers zu kaufen. Manchmal auch Mars und Bounty, aber definitiv Snickers. Und nicht nur das. Auf den Speisekarten steht unter Desserts fast überall Snickers. Ich hatte mich bisher immer gewundert, warum die Einheimischen Snickers auf ihre Menüs schreiben und vor allem, warum so ein blöder Riegel fast 3 Euro kostet und damit teurer ist als die meisten Hauptspeisen. In Sikha habe ich das Rätsel endlich gelöst. Es handelt sich nicht einfach nur um Snickers, sondern um frittierte (!) Snickers im Teigmantel. Eigentlich esse ich solche Sachen ja nicht, aber da musste ich dann doch mal cheaten. Und das war es definitiv wert!

Etappe 13: Kalopani – Tatopani (1.230 m), 8 h, 23.5 km

Unsere nächste Etappe war mal wieder recht lang, weswegen wir am Morgen zeitig aufbrechen wollten. Wir hatten für 7 Uhr unser Frühstück vorbestellt, eher durften wir leider nicht. Doch als wir früh in die Dining Hall kamen, war außer uns niemand da. Die Lichter waren noch aus, die Küche menschenleer. Gegen 7.15 Uhr kam der Besitzer der Lodge verschlafen herein getrottet und machte uns erstmal einen Tee. Von den Mädels aus der Küche fehlte jede Spur. Auf unsere Frage hin, ob denn bald jemand kommen würde, ernteten wir nur ein spöttisches Grinsen. Die Deutschen und ihre Pünktlichkeit… Wir überlegten gerade, auf unser Frühstück zu verzichten und einfach erstmal loszulaufen, da kam endlich eines der Küchenmädels. Zunächst machte sie wenige Anstalten, sich um das Frühstück zu kümmern und machte erstmal anderen Kram, aber dann ging es mit dem Essen doch noch relativ schnell voran. Es war inzwischen 8 Uhr, als wir dann langsam loskamen, was uns eigentlich schon zu spät war. Wir verließen den Ort auf der Jeep-Piste, konnten aber schon bald einige Abkürzungen durch den Wald nehmen. Wirklich empfehlenswert waren diese Abkürzungen aber auch nur bedingt, da sie sich im Gegensatz zur Piste nicht den Berg hinunter schlängelten, sondern geradewegs steil den Abhang hinunter gingen. Das war mitunter noch nicht mal ganz ungefährlich, weil uns an manchen Stellen sogar der Boden unter den Füßen wegrutschte und wir nur schwer Halt finden konnten.

In einem Dorf namens Ghasa gönnten wir uns ein kleines Päuschen mit Tee und Kuchen, bevor wir ein weiteres Mal an einem Check Post unsere Permits vorzeigen mussten. Danach suchten wir mal wieder verzweifelt eine Brücke, die uns auf die Ostseite des Kali Gandaki führen sollte. Die Brücke sollte kurz nach dem Ortsausgang kommen, aber irgendwie war da nichts. Letztendlich stellte sich heraus, dass wir den Ortsausgang noch gar nicht erreicht hatten, denn das Dorf ist quasi zweigeteilt und liegt etwas verstreut. Nach dem richtigen Ortsausgang kam dann auch die Brücke. Auf der anderen Flussseite verlief der Weg dann wieder ganz ruhig und gemütlich durch den Wald und vorbei an einem kleinen Wasserfall. Hin und wieder waren hier sogar Trekker zu sehen. In einem kleinen Dorf auf dem Weg freundete ich mich mit einer Hündin an. Die Arme wurde gerade von einem Rüden drangsaliert, der ganz offensichtlich stark um ihre Aufmerksamkeit kämpfte. Als wir näher kamen, nahm der Rüde kurz Abstand und ich machte den Fehler, bei dieser Gelegenheit die Hündin zu streicheln. Von diesem Moment an wich sie mir nicht mehr von der Seite und suchte Schutz bei mir, wenn der Rüde wieder näher kam. Dann kam noch ein zweiter Rüde dazu, der ebenfalls um die Hündin herum wuselte und plötzlich verfolgten uns drei ziemlich große Hunde. Wir hatten keine Ahnung, wie wir die Drei wieder loswerden sollten und wussten uns nicht anders zu helfen, als uns einfach an den Wegrand zu setzen und abzuwarten. Schon nach kurzer Zeit holten uns einige junge Trekker ein, die wir schon zuvor auf dem Weg gesehen hatten. Sie begrüßten die Hündin und erzählten uns, dass die Dame sie schon fast seit Kalopani verfolgte (was bereits gute 3 Stunden entfernt lag). Die Hündin erkannte ihre Weggefährten natürlich direkt wieder und lief dann mit ihnen weiter. Ich fühlte mich bei der Sache überhaupt nicht wohl, denn nach Kalopani würde die Hündin mit Sicherheit nicht von alleine wieder zurückkehren. Immerhin machten die beiden Rüden an dieser Stelle wieder kehrt und liefen zu ihrem Herrchen zurück.

Wir folgten den jungen Trekkern einen steilen, ziemlich unangenehmen Abhang hinunter. Große Steinplatten waren dort wie improvisierte Stufen angelegt und sollten den Abstieg wohl erleichtern. Trotzdem erforderte dieser Abschnitt höchste Aufmerksamkeit und Vorsicht. Etwa eine dreiviertel Stunde balancierten wir auf diesen Steinen den Berg hinunter und legten dabei fast 300 Hm zurück. Nur um uns dann unten vor einem steilen Aufstieg wiederzufinden. Bei inzwischen wieder recht hohen Temperaturen und praller Sonne kletterten wir also direkt wieder 100 Hm innerhalb von 15 Minuten den Berg hinauf. Oben erwartete uns ein wunderbarer Ausblick über das vor uns liegende Kali-Gandaki-Tal. Das Klima war hier schon fast wieder subtropisch, alles war grün und überall waren Bananenstauden und Reisterrassen zu sehen. Auf der anderen Talseite schlängelte sich die Jeep-Piste am Fluss entlang und man hörte den Lärm von den Straßenarbeiten. Bagger versperrten den Autofahrern den Weg, sodass sich in beide Richtungen unzählige Jeeps, Busse und Mopeds stauten. Permanentes Gehupe von ungeduldigen Fahrern machte den Baustellenlärm noch gar perfekt. Ein Glück, dass wir auf dieser Seite des Tals unterwegs waren.

Kali-Gandaki-Tal

Von unserem Aussichtspunkt aus ging es wieder steil bergab. Wir liefen weiter durch Wälder und kleine, freundliche Dörfer und kamen unserem Ziel immer näher. In jedem der Dörfer machten wir ein kurzes Päuschen, da unsere Füße langsam wieder zu schmerzen begannen. Im ersten Dorf filterten wir uns frisches Wasser und genossen einfach nur die Ruhe. Im zweiten Dorf entdeckten wir ein kleines Teehaus mit leckeren frisch gepressten Säften, die uns bei dem Wetter mehr als gelegen kamen. Und dann waren wir auch schon fast da. Wir mussten ein weiteres Mal den Fluss überqueren, um wieder auf die Jeep-Piste zu gelangen. Dieser folgten wir dann noch einige Minuten, bis wir die ersten Häuser von Tatopani erreichten. Seltsamerweise haben wir zunächst gar keinen Weg in das kleine Städtchen hinein gefunden. Überall standen Häuser, aber nirgendwo ging es durch. Irgendwann waren wir so genervt, dass wir einfach bei einem Teehaus fragten, ob wir durch den Garten laufen dürfen, weil auf der anderen Seite der Dorfweg war. Tatopani ist ein weiteres sehr geschäftiges Dorf, aber nicht wirklich hübsch. Keine der Lodges war sonderlich einladend und wohl fühlten wir uns nicht. Wir fanden dann eine Lodge relativ am Ortseingang, die ganz nett aussah und ließen uns ein Zimmer zeigen. Wie immer setzte ich mich auf eines der Betten, um die Matratzen zu testen. Es war bequem, also nahmen wir das Zimmer. Dummerweise stellte sich später heraus, dass nur das eine Bett bequem war und das Andere hart wie ein Brett. Ich hatte mich bereit erklärt, das unbequeme Bett zu nehmen und habe in der Nacht mal wieder kein Auge zu gemacht. Zumal unser Zimmer direkt unter dem Dach war und die ganze Nacht ein äußerst merkwürdiges Geräusch zu hören war. Die ganze Nacht habe ich den Kopf eingezogen und mich in meinem Schlafsack versteckt, weil ich mir sicher war, dass wir eine Ratte im Zimmer hatten. Im Nachhinein reden wir uns lieber ein, dass ein Ast auf dem Dach langgekratzt hat…