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Etappe 6: Lower Pisang – Ngawal (3.680 m), 7 h

Am Morgen wachte ich auf und fühlte mich fast wie neu geboren. Trotz des anstrengenden Tages gestern ging es mir blendend und ich war voller Tatendrang. Offenbar bekam mir die viele Bewegung in der frischen Bergluft ziemlich gut. Es stand daher außer Frage, dass wir auch heute weiterwandern würden. Da die Etappen nun aber wegen der Höhe immer kürzer wurden, konnten wir uns ganz gemütlich Zeit lassen und entspannt in den Tag starten.

Wir befanden uns inzwischen auf 3.200 m Höhe und damit im Gefahrenbereich für die Akute Höhenkrankheit. Ab jetzt mussten wir ganz besonders auf unsere Körper hören und ihnen ausreichend Zeit geben, sich langsam an die Höhe anzupassen. Deswegen auch die kürzeren Etappen. Denn ab einer Höhe von 3.000 m gilt die Regel, dass man die Nacht nicht mehr als 500 m über der letzten Nacht verbringen sollte. Im besten Fall sollte man tagsüber mehr als 500 Höhenmeter aufsteigen und für die Nacht dann wieder so weit absteigen, dass man letztendlich maximal 500 m höher schläft als in der Nacht davor. Praktischerweise findet man die Dörfer auf dem Annapurna Circuit auch ziemlich genau in diesen Abständen. Ein weiteres Muss für die richtige Akklimatisierung ist viel trinken (mindestens 4 Liter am Tag) und langsam laufen. Und dazu sollte man sich auch wirklich zwingen, denn die Höhenkrankheit kann sehr gefährlich werden. Und sie ist keineswegs selten. Drei Rettungshelikopter pro Tag fliegen im Schnitt zum Annapurna Trek wegen Leuten, die den Abstieg nicht mehr rechtzeitig geschafft haben. Leider ist es inzwischen sehr verbreitet, dass Trekker vorsorglich Medikamente gegen die Höhenkrankheit nehmen. Das Problem dabei ist aber, dass diese Medikamente die Höhenkrankheit nicht verhindern können, sondern lediglich die Symptome lindern. Die Folge ist dann, dass man die Höhenkrankheit überhaupt nicht bemerkt. Die einzigen Mittel sind also eine gute Akklimatisierung und im Ernstfall der rechtzeitige Abstieg.

Wegen der Akklimatisierung haben wir uns für einen Umweg über das kleine Dorf Ngawal entschieden, der einen zusätzlichen Tag in Anspruch nimmt. Während der eigentliche Weg auf der Jeep-Piste bis zum letzten größeren Ort vor dem Pass verläuft, liegt Ngawal auf der sogenannten High Route. Statt also weiter wie bisher am Fluss entlangzulaufen, würden wir heute einen Berg bis auf knapp 3.800 m hinaufsteigen, dort beim Wandern die Aussicht auf das Tal genießen und morgen wieder einige Meter absteigen. Das allerdings bedeutete, dass wir uns heute von Cian verabschieden mussten, der für diesen Umweg keine Zeit hatte. Von jetzt an waren wir nur noch zu viert.

Wir starteten gegen 10 Uhr in unsere heutige, ca. 10 km lange Etappe. Obwohl wir dank unseres tollen Wanderführers bereits wussten, dass uns ein heftiger Aufstieg bevorstand, machten wir uns nichts Böses ahnend auf den Weg Richtung Norden. Eine gute dreiviertel Stunde liefen wir ganz entspannt fast ausschließlich geradeaus, vorbei an einem kleinen See und einer Reihe von Gebetsmühlen. Von hier aus konnten wir schon den Berg sehen, den es heute zu erklimmen galt. Ganz oben war ein Plateau mit einer großen Chörte zu erkennen, die zum Dorf Gyharu gehört. Wenn man es bis dort hin geschafft hat, ist das Schlimmste schon vorbei. Aber schon von hier unten sah der Weg nach oben extrem anstrengend aus. Wir überquerten noch eine Hängebrücke und dann ging es los. Auf einem steinigen, teils sandigen Pfad ging es im Zick-Zack steil bergauf. Fast 400 Höhenmeter lagen in der nächsten Stunde vor uns. Zum ersten Mal war deutlich zu spüren, dass der Sauerstoffgehalt in der Luft inzwischen drastisch abgenommen hatte. Wir waren völlig außer Atem, kamen nur schleppend voran und mussten ständig Verschnaufpausen machen. Nur Thomas schien das Alles mal wieder kaum zu interessieren. Er war kaum aufzuhalten, marschierte immer wieder voraus und meinte irgendwann sogar, er würde dann oben auf uns warten. Wir dagegen wären trotz unserer eigentlichen Fitness am liebsten auf allen Vieren gekrochen. Letztendlich dauerte der Aufstieg auch deutlich länger als unser Wanderführer dafür angesetzt hatte, aber dann kam der große Moment, an dem wir endlich die Chörte erreichten. An diesem Punkt wurde uns auch bewusst, was für eine atemberaubende Aussicht wir die ganze Zeit im Rücken hatten. Von hier oben waren die Annapurna II mit ihren 7.937 m und daneben die Annapurna IV mit ihren 7.525 m zum Greifen nahe. Man konnte die meterhohen Schneemassen sehen und schon fast die Gletscher knacken hören. In diesem Moment hatte sich die ganze Anstrengung der letzten Stunde und überhaupt der ganzen letzten Tage mit einem Mal voll ausgezahlt.

Ortseingang von Ghyaru mit Blick auf Annapurna II
Annapurna II (7.937 m)

Neben der Chörte führte ein kleines Steintor in das Bergdorf Ghyaru. Direkt am Ortseingang stand ein kleines Teahouse mit einer Terrasse, von der aus man das Panorama in vollen Zügen genießen konnte. Wir setzten uns an einen Tisch und atmeten erst einmal tief durch. Eigentlich wollten wir erst in einem anderen Teahouse essen, aber alle Anderen waren bereits mit Trekkern gefüllt und die Inhaber erklärten uns, dass wir auf unser Essen wohl mindestens zwei Stunden warten müssten. Nur das kleine Restaurant am Ortseingang war relativ leer. Eine nette, alte Dame schmiss den Laden ganz alleine. Sie schien völlig gestresst, zauberte uns aber in Lichtgeschwindigkeit ein leckeres Essen und brachte uns dann noch Samosas und Apfelkuchen vom Vormittag. Während die anderen Drei auf der Terrasse des Restaurants die Ruhe genossen, ging ich mit den Kameras zurück zur Chörte und machte ein paar Bilder. Plötzlich rief ein anderer Fotograf, ich solle mich zur Annapurna II umdrehen. Eine gigantische Lawine hatte sich gelöst und rollte den Berg hinunter, gehüllt in eine große Schneewolke.

Lawine an der Annapurna II
Lawine an der Annapurna II

Ich ging zurück zum Rest der Gruppe. Dummerweise waren die anderen Drei gerade von der Terrasse ins Esszimmer umgezogen und hatten dadurch die Lawine verpasst. Wir blieben dann noch etwas sitzen, tranken unseren Tee und beobachteten die alte Dame dabei, wie sie hastig ihre Küche aufräumte, das ganze Mittagsgeschirr in einer großen Edelstahlschüssel abwusch und anschließend zum Trocknen in die Sonne stellte. Ich weiß nicht, welche Termine sie an diesem Tag noch hatte, aber jedenfalls hatte sie es offenbar sehr eilig. So eilig, dass sie uns Zettel und Stift auf den Tisch legte und uns mit den Worten „I trust you“ unsere eigene Rechnung schreiben ließ.

Zum Glück hatten wir den harten Part des Tages tatsächlich schon hinter uns gelassen. Von Ghyaru aus war der weitere Weg einigermaßen eben und sehr angenehm zu laufen. Dabei begleitete uns die ganze Zeit eine Wahnsinns-Aussicht auf das unter uns liegende Manang-Tal mit seinem eisblauen Fluss sowie auf den hinter uns liegenden heiligen Berg und die riesige Bergwand der Annapurna-Kette auf der anderen Flussseite.

Manang-Tal

Nach ca. zwei Stunden erreichten wir dann das kleine Bergdorf Ngawal (3.680 m), in dem wir heute übernachten wollten. Die Sonne war bereits hinter den Bergen verschwunden und alles war in Schatten gehüllt. Da wurde uns klar, dass uns eine verdammt kalte Nacht bevorstand. In unserer Lodge gelang es Fab dann aber, noch eine zusätzliche Decke zu organisieren, die wir auch echt brauchten. In den Nächten waren es inzwischen mehrere Grade Minus und natürlich gab es auch hier keine Heizungen in den Zimmern. Es war inzwischen so eiskalt, dass die Wasserhähne nachts aufgedreht bleiben mussten, damit die Rohre nicht zufrieren. Es wurde dann sogar vorsorglich eimerweise Wasser für den Morgen abgefüllt, u.a. um dieses dann aufzukochen und über die teils doch gefrorenen Rohre zu kippen.

In Ngawal gibt es schon nur noch drei Lodges und die sind auch dementsprechend voll. Viele Möglichkeiten, anderen Trekkern aus dem Weg zu gehen, gibt es auf diesen Höhen nicht mehr. Zumal wegen der Kälte auch alle im Dining Room versammelt sind, in dem es immer einen kleinen Holzofen gibt. Da wird es dann mitunter schon recht laut und geschäftig, vor allem aber wartet man einfach eeewig auf sein Essen. Dazu sollte man vielleicht wissen, dass alle Speisen der Reihe nach einzeln entsprechend der Bestellungsreihenfolge gemacht werden. Wird also drei Mal Suppe bestellt, dann wird nicht etwa ein großer Topf gemacht, sondern dann werden nacheinander drei Suppen gekocht. Ich glaube, nur Dal Bhat wird in größeren Mengen gemacht, aber auch das ist wohl nicht überall so. Jedenfalls mussten wir an diesem Abend über zwei Stunden auf unser Essen warten, was absolute Folter war. Schon bei der Ankunft in der Lodge hatten unsere Mägen geknurrt und dann mussten wir die ganze Zeit zuschauen, wie Einer nach dem Anderen um uns herum sein Essen bekam. Wir versuchten, uns die Zeit mit einem Kartenspiel zu vertreiben, aber wir waren der Verzweiflung nah.

Etappe 5: Chame – Lower Pisang (3.200 m), 6.30 h

Da wir hier in Chame endlich unseren längst überfälligen Ruhetag einlegen wollten, blieb der Wecker heute mal aus. Natürlich waren wir trotzdem relativ zeitig wach, da wir auch am gestrigen Abend wieder sehr früh ins Bett gegangen waren und anschließend gute 12 Stunden geschlafen hatten. Allerdings war die Nacht nicht sonderlich angenehm gewesen, da der Rauch am Abend meinem Hals ziemlich zugesetzt hatte und ich dadurch die ganze Nacht mit Halsschmerzen und Husten zu kämpfen hatte. Ein Erholungstag war jetzt genau das, was ich brauchte. Und zum Glück wollten auch die anderen Drei heute in Chame bleiben, sodass uns ganz sicher nicht langweilig werden würde.

Wir blieben noch etwas in unseren Betten liegen und genossen die Ruhe, bevor wir gegen 8 Uhr nach nebenan in den Dining Room gingen. Dort trafen wir auch den Rest unserer kleinen Gruppe. Offenbar waren wir mal wieder so ziemlich die einzigen Gäste in dieser Lodge, was uns etwas verwunderte, da eigentlich fast alle Trekker in Chame übernachten. Für uns war das natürlich klasse, weil wir in Linda, Thomas und Cian eine großartige Wandergruppe gefunden hatten und dadurch nicht so den großen Drang verspürten, haufenweise Leute kennenzulernen. Die komplette Unterkunft für sich alleine zu haben bedeutet ja schließlich auch, dass es ruhiger ist, man eine höhere Chance auf eine warme Dusche hat und das Essen schneller fertig ist. Dann aber kam leider genau das, was kommen musste: Linda und Thomas wollten bereits heute die nächste Etappe laufen, da Linda inzwischen wieder fit war. Und Cian, der zwar stark erkältet war und immer noch starke Schmerzen in den Beinen hatte, wollte sich den Beiden anschließen. Sein Problem war, dass er viel zu wenig Zeit für den Trek eingeplant hatte und er sich einen Ruhetag einfach nicht leisten konnte. Fab und ich aber hatten mehr als genug Zeit eingeplant, nämlich für genau solche Situationen wie die Jetzige. Trotzdem hatten wir überhaupt keine Lust darauf, den ganzen Tag alleine in Chame herumzusitzen und „unser Team“ zu verlieren. Nach langem Hin und Her packten also letztendlich auch wir unsere Sachen, obwohl ich mich dabei nicht ganz wohl fühlte. Ich wusste, dass dieser Tag kein Spaß wird. Die heutige Etappe war fast 17 km lang und unterwegs gab es kaum Dörfer, in denen man zur Not eine Nacht hätte bleiben können. Außerdem war es schon nach 10 Uhr und schnell vorankommen würden wir heute mit Sicherheit nicht. Dennoch war ich überzeugt, dass ich das schaffe.

Als wir die Lodge verließen und der Straße weiter Richtung Nordwesten folgten, merkten wir, dass wir noch gar nicht richtig in Chame angekommen waren. Scheinbar handelte es sich nur um eine kleine Ansammlung von Lodges wenige Minuten vor dem eigentlichen Ort, die wir von nun an Fake-Chame nannten. Kein Wunder, dass uns die Dame von unserer Lodge gestern so tolle Angebote gemacht hat; hätten wir erst einmal weiter geschaut, wären wir definitiv nicht wieder zurück gekommen.

Auf unserem Weg nach Chame wurden wir von einem großen Hund begleitet, der freudig zwischen uns hin und her rannte und sich ein paar Streichler abholte. Am Ortseingang machte er dann aber kehrt und ging weg. Wir durchquerten den Ort, hielten am Ortsende noch kurz an einer kleinen Apotheke und besorgten mir Hustensaft und Halsbonbons. Dann verließen wir Chame durch eine weiße Chörte (eine tibetische Stupa).

Buddhistische Chörte

Der Weg folgte auch hier noch immer der Jeep-Piste, die neben dem Fluss durch dichten Nadelwald führte. Obwohl der Weg wenig anspruchsvoll war und auch der Aufstieg eigentlich kaum ein Problem darstellen sollte, mussten wir doch permanent anhalten und kurze Verschnaufpausen einlegen. Cian und ich waren einfach völlig überfordert und konnten mit dem Tempo der Anderen kaum mithalten. Erschwerend hinzu kam dabei natürlich auch, dass die Landschaft auf dem Weg durch den Wald relativ monoton war und daher keinerlei Ablenkung von der Erschöpfung bot. Stattdessen kam es mir eher so vor als würden wir überhaupt nicht vorankommen, wodurch ich gleich noch viel träger wurde. Ich war todmüde, mir lief ununterbrochen die Nase und ständig musste ich anhalten, um mir einen neuen Vorrat an Taschentüchern aus dem Rucksack zu holen. Minuten kamen mir wie Stunden vor und der Gedanke daran, was wir an diesem Tag noch vor uns hatten, sorgte nicht gerade für gute Laune. Ich war irgendwie sauer auf Fab, weil er mich am Morgen nicht davon abgehalten hatte, diese Etappe in Angriff zu nehmen, obwohl ich genau wusste, dass er die Entscheidung mir überlassen hatte. Und ich hatte das starke Bedürfnis, einen Einheimischen anzuschreien, der einige Kühe an uns vorbei trieb, die er immer wieder anbrüllte und mit einem Stock schlug, sodass einer Kuh schon Blut über das Gesicht lief. Am liebsten hätte ich mir einfach im nächsten Dorf eine Lodge gesucht und mich ins Bett gelegt. Aber es gab kein Dorf, in dem man hätte übernachten können.

Auf dem Weg nach Pisang

Und dann – nach etwa 2 Stunden – lichtete sich vor uns plötzlich der Wald. Wir kamen auf eine riesige Apfelplantage und fanden uns kurz darauf vor einem großen, neu gebauten Teahouse wieder. Wir gingen hinein und suchten uns ein Plätzchen für eine Mittagspause. Der Annapurna Circuit ist übrigens bekannt für seine super leckeren Apfel-Pies, -Crumbles und -Pancakes, die man fast überall auf dem Trek kaufen kann. Scheinbar ist nämlich das Klima im Himalaya bestens für den Anbau von Äpfeln geeignet. Ich selbst kann zwar leider keine Äpfel essen, aber alle anderen haben wirklich sehr von den Leckereien geschwärmt.

Teahouse in Bhratang

Ein ganzes Stück später zwangen wir uns dann schließlich zum Weiterlaufen. Wir alle waren ziemlich fertig und hatten eigentlich überhaupt keine Lust mehr. Trotzdem hatten wir noch Einiges vor uns und wir hatten schon wieder viel zu lange gesessen, sodass es bereits früher Nachmittag war. Wir folgten der Jeep-Piste weiter den Fluss entlang, während die Landschaft langsam karger und felsiger wurde. Wir kamen an eine Kurve, hinter der sich ein unglaublicher Ausblick auf eine gewaltige, steile Felswand auftat. Die Wand gehört zum heiligen Berg Swargadwari und sieht aus wie eine riesige Rampe. Der heilige Berg ist teilweise bis zu 5.000 m hoch, von denen aber 2.000 m einfach nur glatte Felsfläche sind. Für die einheimischen Buddhisten ist der Berg deshalb so heilig, weil er für sie als eine Rampe ins nächste Leben galt. Lange Zeit legten sie die Verstorbenen an den Fuß dieser Felswand, damit der Wind diese über die Rampe in den Himmel trägt.

Der heilige Berg

Die nächsten Minuten wanderten wir geradewegs auf den Berg zu, bis uns irgendwann eine Hängebrücke auf die andere Flussseite führte. Auf einem schmalen Waldweg stiegen wir dort immer weiter den Berg hinauf. Cian hatte inzwischen so starke Schmerzen in seinen Beinen, dass er kaum noch laufen konnte. Es war sogar so schlimm, dass Linda ihm seinen schweren Rucksack abnahm und ihm dafür ihren deutlich leichteren Rucksack gab. Wir hatten erst überlegt, das Gewicht zwischen uns allen aufzuteilen, aber Fab hatte mir bereits ein paar schwere Sachen abgenommen, um mich an diesem Tag zu entlasten. Auf dem Weg nach oben fiel mir dann das erste Mal auf, dass Thomas sich unterwegs immer wieder bückte, um Müll vom Boden aufzusammeln und in seine Taschen zu stecken. Die Idee fand ich unglaublich cool und absolut unterstützenswert, allerdings ist das mit dem Müll auf dem Trek ja leider so eine Sache. Wenn man den eingesammelten Müll abends in der Lodge in den Papierkorb wirft, kann man eigentlich davon ausgehen, dass alles wieder irgendwo im Wald landet. Deswegen haben wir unseren eigenen Müll auch nirgendwo auf dem Trek entsorgt, sondern bis zum Ende bei uns getragen.

Als wir dann nach dem recht anstrengenden Aufstieg oben wieder auf die Piste kamen, änderte sich die Umgebung langsam richtig deutlich. Wir hatten die 3.000 m-Grenze überschritten und das Manang-Tal betreten. Die Bäume waren schon fast vollständig verschwunden, stattdessen war die Landschaft nun kahl und steinig. Um uns herum ragten jetzt große, teilweise schneebedeckte Bergspitzen in den Himmel und hinter uns war noch immer die gewaltige Felswand des heiligen Berges zu sehen. Ein Gefühl von Ehrfurcht kam auf.

Manang-Tal

Wir überquerten eine gerade Steinebene und erreichten irgendwann eine Gabelung, an der wir uns für einen von zwei möglichen Wegen entscheiden mussten. Der eine führte auf direktem Wege nach Lower Pisang, in dem es viele neuere Lodges gibt. Der zweite Weg führte über Upper Pisang, dem älteren Teil von Pisang, der weiter oben am Berg liegt und noch recht ursprünglich ist. Wir entschieden uns für den linken Weg, der weiter über die Ebene und direkt nach Lower Pisang führte. Zwar soll sich ein Abstecher nach Upper Pisang sehr lohnen, jedoch wurde es langsam dunkel und schlafen wollten wir dann doch lieber in einer der „moderneren“ Lodges.

In Lower Pisang merkten wir sofort, dass sich nicht nur die Landschaft geändert hatte. Auch die Häuser waren hier ganz anders. Zum Einen gab es keine Holzhäuser mehr, weil es hier oben viel zu kalt dafür war. Die Häuser waren nun allesamt aus Stein gebaut und dadurch auch etwas besser isoliert. Zum Anderen waren die Häuser hier aber auch viel einfacher und kleiner als in den Orten zuvor. Offenbar begann ab hier das richtige, echte Bergleben.

An einigen Lodges gingen wir direkt vorbei, weil wir schon durch die Fenster sehen konnten, dass die Esszimmer recht voll waren. Zum Ende der Hauptstraße hin wurde es aber deutlich ruhiger. Wir teilten uns auf; Linda und ich schauten uns eine Lodge an, während Thomas in ein anderes Guesthouse ging. Am Ende gewann das Guesthouse von Thomas, weil er uns dort kostenlose Zimmer mit eigenem Bad aushandeln konnte. Offenbar waren wir nämlich mal wieder die einzigen Gäste und haben deswegen die guten Zimmer bekommen. Ein eigenes Bad weiß man auf diesen Höhen übrigens ganz besonders zu schätzen. Zum Duschen war es zwar viel zu kalt, weil es kein warmes Wasser gab und wir langsam in die Minusgrade kamen – aber tagsüber trinkt man so viel, dass man nachts ziemlich oft wohin muss und dann ist man echt heilfroh, wenn man nicht erst aus dem warmen Schlafsack raus, drei Schichten Klamotten anziehen und durch den halben Hof rennen muss. Und inzwischen hatten wir uns auch mit den Hockklos angefreundet, vor denen wir uns anfangs noch etwas gefürchtet hatten. Denn mal ehrlich: auf ein normales Sitzklo würde man sich dort aus hygienischen Gründen ohnehin nicht setzen wollen…

Wir legten also kurz unsere Sachen im Zimmer ab und versammelten uns dann im Dining Room zum Abendessen. Noch während wir die Speisekarte durchstöberten, fiel unser Blick in die offene Küche, in der irgendein in Scheiben gehacktes totes Tier von der Decke hing. Die Dame des Hauses erklärte uns, dass es sich dabei um Yak handelte. Yaks gibt es auf dem Annapurna Trek in unzähligen Mengen und dementsprechend auch auf den Speisekarten. Wir hatten allerdings gelesen, dass man auf Yak-Fleisch lieber verzichten sollte, weil die Tiere nur einmal im Jahr geschlachtet und anschließend monatelang gelagert werden, sodass das Fleisch nicht immer im besten Zustand ist. Geschlachtet wird jedoch im November, also genau während unserer Wanderung. Und auch das Tier, das dort in der Küche hing, wurde gerade mal zwei Tage vorher geschlachtet. Und das mussten die Jungs gleich probieren. Da die Karte aber nichts wirklich Interessantes mit Yak-Fleisch zu bieten hatte, fragten sie die Dame, ob es eventuell möglich wäre, eine Pizza mit Yak-Fleisch zu belegen. Die Dame fand das super amüsant, aber ein Stückchen später servierte sie die neu kreierten Yak-Pizzen. Auch mir stellte sie statt meiner Zwiebelpizza eine Yak-Pizza vor die Nase, aber ich bestand auf meiner Zwiebelpizza. Daraufhin gab sie die Yak-Pizza dem Opi – vermutlich ihr Vater –, der neben unserem Tisch am Holzofen saß. Seinem Gesichtsausdruck zufolge war das für ihn wie Weihnachten. Generell hatten wir sehr stark den Eindruck, dass es für die Einheimischen kaum etwas Besseres gab als wenn die Trekker etwas von ihrem Essen übrig ließen oder zu viel gekocht wurde. Denn für sie gibt es ja normalerweise jeden Tag Dal Bhat. Als dann irgendwann auch meine Zwiebelpizza gekommen war und wir uns die Bäuche vollgehauen hatten, beendeten wir den Abend noch gemütlich mit einem Kartenspiel und leckerem Pfefferminztee.