Warten auf Sakura

Bei all der Vorfreude und den Erwartungen, die wir an Japan hatten, konnten wir ja eigentlich nur enttäuscht werden. Wir hatten schon befürchtet, dass unsere Vorstellungen von diesem Land vielleicht etwas zu träumerisch und perfekt waren. Aber Japan hat es tatsächlich geschafft, unsere Erwartungen zu übertreffen. Das Land ist vielfältig und hochmodern (wo findet man schon automatisch vorgewärmte Toilettensitze?), der Lebensstandard extrem hoch und die Menschen so unfassbar freundlich, dass man am liebsten sofort Japanisch lernen möchte, um die Freundlichkeit zu erwidern. Das ist das Komische in Japan; obwohl wir ja nun offensichtlich Ausländer sind, versuchen die ganzen Japaner, sich in ihrer Sprache mit uns zu unterhalten. Selbst wenn sie Englisch verstehen, wird immer nur auf Japanisch geantwortet. Aber immer super freundlich. Uns tut es immer richtig leid, dass wir kein Wort verstehen. Erstaunlicherweise ist Englisch hier generell deutlich weniger verbreitet als in Südostasien, was uns das Reisen natürlich ungeheuer erschwert. Während man zum Beispiel in Südostasien fast überall englische Speisekarten findet, muss man hier entweder vollkommen blind oder nach Bildchen sein Essen bestellen. Trotzdem hätten wir am liebsten sofort all unsere gebuchten Flüge gecancelt und weitere zwei Monate für dieses Land eingeplant. Aber auf Neuseeland wollen wir ja genauso wenig verzichten und deswegen müssen wir uns hier mit drei Wochen zufrieden geben. Leider scheint die Uhr hier viel schneller zu laufen als an den Orten, an denen wir bisher waren. Wir haben das Gefühl, gerade erst angekommen zu sein und doch ist die erste Woche schon wieder vorbei.

Die ersten zwei Tage haben wir in Tokyo verbracht. Nur zwei Tage in dieser Stadt zu verbringen grenzt schon fast an Blasphemie, aber es war eben einfach alles in unserem Budgetbereich ausgebucht. Also haben wir versucht, das Beste aus der kurzen Zeit zu machen und haben uns zwei Tage lang die Füße wund gelaufen. Es ist schwer sich zu entscheiden, welche Viertel man sich anschaut, denn jedes der Viertel im Zentrum hat seinen eigenen Charme und irgendetwas Besonderes zu bieten. Angefangen haben wir mit Chiyoda, dem historischen Zentrum von Tokyo, in dem der Kaiserpalast und die Regierungsgebäude zu finden sind. Obwohl die Gärten des Kaiserpalasts sonntags eigentlich zugänglich sein sollten, waren sie an diesem Tag leider aus irgendeinem Grund geschlossen. Stattdessen sind wir dann durch hübsche Parks und die Nobel-Einkaufsmeile Ginza spaziert. Dort befindet sich auch das Sony Building mit mehreren Vorführungsräumen, in denen man die neuesten Sony-Produkte ausgiebig testen kann. Natürlich konnte ich es nicht lassen, eine der schicken Spiegelreflexkameras in die Hand zu nehmen und an der eigens zum Testen aufgebauten Miniaturlandschaft auszuprobieren. Zum Glück waren die Sofas vor den riesen Fernsehern und den Spielekonsolen alle besetzt, sonst hätten wir definitiv noch mehr Zeit verloren… Als sich der Tag dann langsam dem Ende neigte, machten wir uns auf zu unserem letzten Ziel, dem Tokyo Tower. Wir haben uns zwar nicht getraut, zur Aussichtsplattform hochzufahren, aber auch von unten ist der Tokyo Tower durchaus ziemlich beeindruckend.

Tokyo Tower

Den zweiten Tag in Tokyo haben wir dann im Ueno-Park und dem Tempelviertel Asakusa verbracht. Abends konnten wir es uns nicht nehmen lassen, durch das Manga- und Animeviertel Akihabara mit seinen unzähligen Läden zu schlendern. Viel gesehen haben wir von Tokyo noch lange nicht, aber das ist nicht schlimm. Wir kommen wieder, so viel steht fest.

Senso-ji (buddhistischer Tempel) in Asakusa, Tokyo
Senso-ji (buddhistischer Tempel) in Asakusa, Tokyo
Tokyo
Tokyo

Dieses Mal sind wir ja in erster Linie auch aus einem ganz bestimmten Grund nach Japan gekommen: der Sakura. Sakura ist die japanische Kirschblüte, eines der wichtigsten Symbole der japanischen Kultur. Nun könnte man sich fragen, was daran so besonders ist, denn Kirschbäume haben wir in Deutschland ja auch. Aber in Japan gibt es nicht mal hier, mal da einen Kirschbaum im Garten. Jedes Dorf hat seine Kirschbäume und jede Stadt hat mindestens einen Park oder eine Straße mit hunderten von Kirschbäumen. Zwischen Ende März und Anfang Mai wandert die Kirschblüte einmal von Süden nach Norden durch das ganze Land und lässt jeden Ort ca. eine Woche lang in rosa Blüten erstrahlen. Wenn es soweit ist, wird in den jeweiligen Orten Hanami, das Kirschblüten-Fest gefeiert. Tausende von Menschen versammeln sich in den Parks, picknicken unter den Bäumen und feiern die Kirschblüte und den Frühlingsbeginn. Inzwischen rückt die Kirschblüte immer näher, die ersten Knospen haben sich schon geöffnet und wenn man durch die Straßen und Parks spaziert, wird einem so langsam das Ausmaß der Sakura bewusst. Wir haben aufgehört zu zählen, wie oft am Tag wir sagen „In fünf Tagen sieht es hier bestimmt absolut atemberaubend aus“.

Kirschbäume im Ueno-Park, Tokyo
Kirschbäume im Ueno-Park, Tokyo

Letztendlich ist es also schon fast egal, wo in Japan man sich zur Kirschblüte befindet und so haben wir uns vorerst von Tokyo verabschiedet und sind nach Yokohama gefahren, der zweitgrößten Stadt Japans, die direkt neben Tokyo liegt. Yokohama selbst ist eine hübsche Stadt, die aber recht wenige Sehenswürdigkeiten zu bieten hat. Am besten lässt sich die Stadt gemütlich am Hafen genießen, wo man vom Osanbashi Pier eine tolle Aussicht auf die Stadt und das Hafengebiet hat. Richtig Glück hatten wir am ersten Abend, als wir auf dem Pier standen und nach fünf Minuten auf die Skyline starren plötzlich den gut 100 km entfernten Fuji entdeckten. Wir waren genau zur richtigen Zeit da, um zu sehen, wie hinter dem Fuji die Sonne unterging und er dadurch als Silhouette sichtbar war. Als wir vormittags noch einmal zum Pier gegangen sind, um den Vulkan im Hellen zu sehen, konnten wir nur noch anhand des Fotos vom Abend erkennen, wo er ungefähr zu sehen sein müsste. Wir haben kurz gerätselt, ob der helle Fleck am Himmel eine Wolke oder die Schneekuppe ist, dann haben wir aufgegeben.

Yokohama mit dem Fuji im Hintergrund
Yokohama mit dem Fuji im Hintergrund

Vom Pier aus ist es nicht weit zur zweitgrößten Chinatown der Welt und zum Baseball Stadion der BayStars. Baseball ist – abgesehen vom Kampfsport – der Volkssport Nr. 1 in Japan und wenn man die Chance hat, sollte man sich eigentlich auch mal ein Spiel anschauen. Da unser Hotel direkt neben dem Stadion lag, hätte sich das natürlich auch angeboten, aber das nächste Spiel war leider genau am Tag unserer Abreise aus Yokohama und eine Verlängerung des Aufenthalts war nicht möglich, denn – man ahnt es schon – das Hotel war ausgebucht. Inzwischen wissen wir auch warum und dass es ohnehin hoffnungslos gewesen wäre, Tickets für das Spiel zu bekommen, denn gespielt haben die Yokohama BayStars gegen die Tokyo Giants, scheinbar DAS Ereignis überhaupt.

Ansonsten findet man in Yokohama noch einen recht schönen japanischen Garten, den Sankei-en Garden. Japanische Gärten gefallen uns richtig gut, nicht nur weil sie schön aussehen und viel Ruhe bieten, sondern auch weil es dort oftmals Schildkröten und gigantische Riesen-Kois gibt. Und wenn ich riesig sag, dann meine ich auch riesig. Wir haben Dinger gesehen, die waren bestimmt einen Meter groß! Und Hand hoch: Wer wusste, dass Kois bis zu 60 Jahre alt werden können?

Von Yokohama aus haben wir noch einen Tagesausflug in die Tempelstadt Kamakura gemacht. Es ist wirklich unglaublich, wie viele Tempel und Schreine es dort gibt. Wir wollten mit den Kleinsten anfangen und uns dann im Laufe des Tages zu den richtig Großen vorarbeiten, von denen alleine es schon gute zehn Stück über die 170.000 Einwohner-Stadt verteilt gibt. Geschafft haben wir nur einen kleinen Bruchteil. Wer nicht nur die ganzen Hauptattraktionen abfahren will, der sollte dort also auf jeden Fall mehr als einen Tag einplanen. Aber auch wenn wir die großen Tempel letztendlich gar nicht gesehen haben, konnten wir doch einige sehr eindrucksvolle (und menschenleere) Tempel sehen. Im Stadtzentrum gibt es neben den Tempeln außerdem eine große Allee mit Kirschbäumen, die natürlich gerade jetzt besonders sehenswert ist. Leider wird sie gerade gebaut und scheinbar wurden dafür sämtliche Kirschbäume entfernt.

Inzwischen sind wir im weniger spannenden Shizuoka angekommen, wo wir auf den Höhepunkt der Sakura warten.

Bis dahin,
Sayonara

– Tini

2 Gedanken zu „Warten auf Sakura“

  1. Ihr schreibt wunderbar! Ich freue mich immer, wieder was neues zu lesen…! Toll, was Ihr erlebt!! Ich wünsche Euch weiter viel Spaß und noch viiiele tolle Erlebnisse!! Sonni

    1. Danke schön, liebe Sonni! Es freut uns, dass du unsere Reise mitverfolgst und natürlich freuen wir uns auch ganz sehr, wenn das Lesen Spaß macht :) Viele liebe Grüße nach Plauen!

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